Politischer Neuanfang in Sri Lanka

Sri Lanka hat einen neuen Präsidenten gewählt.

09.01.2025

Chancen und Herausforderungen der neuen Linksregierung
SWP-Aktuell 2025/A 02, 09.01.2025, 5 Seiten

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Der deutliche Wahlsieg der linken Nationalen Volksmacht-Koalition (Jathika Jana Balawegaya / National People’s Power, NPP) bei der Parlamentswahl vom 14. November 2024 signalisiert den Wunsch nach einem politischen Neuanfang in Sri Lanka. Hierfür muss die neue Regierung von Präsident Anura Kumara Dissanayake erstens die Folgen der schweren Wirtschaftskrise von 2022 bewältigen. Zweitens steht nach wie vor eine politische Lösung für den seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt mit der tamili­schen Minderheit aus. Drittens sollen mit Verfassungsreformen die Macht­befugnisse des Präsidenten beschnitten und wieder ein parlamentarisches System eingeführt werden. Außenpolitisch wird die neue Regierung weiter eine Balance­politik zwischen China und Indien verfolgen. Die Stärkung der Demokratie und der Ausgleich zwischen den Volksgruppen sind für die neue Regierung auch ein zentrales außenwirtschaftliches Anliegen, wenn sie über 2027 hinaus vom Allgemeinen Präfe­renzsystem Plus (APS+) der Europäischen Union (EU) profitieren will.

Anura Kumara Dissanayake hatte sich bei der Präsidentschaftswahl im September 2024 überraschend gegen Amtsinhaber Wickremesinghe und Oppositionsführer Premadasa durchgesetzt. Dissanayake stammt aus einfachen Verhältnissen, spricht nur Singhalesisch und gehört anders als seine beiden Hauptkonkurrenten nicht zu den tradi­tio­nellen Politikerdynastien. Nach seiner Wahl löste Präsident Dissanayake umgehend das Parlament auf, da seine Partei, die Janatha Vimukthi Peramuṇa (JVP), nur über drei Sitze verfügte.

Der Wahlerfolg der NPP bei der anschlie­ßenden Parlamentswahl war in vielerlei Hinsicht eine Überraschung. Sie ist eine Koalition aus 21 linken Parteien und zivil­gesellschaftlichen Organisationen, deren Zentrum die JVP von Präsident Dissanayake bildet. Die NPP erzielte als erste politische Gruppierung unter den Bedingun­gen des Verhältniswahlrechts eine Zweidrittelmehr­heit der Sitze im Parlament. Traditionelle Parteien wie die United National Party (UNP) oder die Sri Lanka Free­dom Party (SLFP) wurden de facto bedeutungslos. Selbst die Sri Lanka Podujana Pera­muna (SLPP), die von der Rajapakse-Familie dominiert wird und 2020 noch 145 Sitze gewonnen hatte, hat nur noch drei Abge­ordnete im neuen Parlament. Von den 159 Abgeordneten der NPP sind 145 parla­mentarische Neulinge.

Die traditionellen Hochburgen der JVP liegen in den ärmeren ländlichen Regionen des singhalesischen Südens. Umso erstaun­licher ist, dass die NPP in 16 der insgesamt 22 Wahl­distrikte des Landes über 50 Pro­zent der Stimmen errang. Ebenso unerwartet waren ihre Erfolge in den tamilischen Gebie­ten im Norden. In Jaffna, der politi­schen Hochburg der Tamilen, gewann die NPP drei von sechs Sitzen gegen traditio­nelle tamilische Regionalparteien wie die Ilankai Tamil Arasu Kachchi (ITAK). Das war umso bemer­kenswerter, weil sich die JVP in der Ver­gangenheit immer gegen weiter­gehende politische Zugeständnisse an die Tamilen gewandt hatte.

Für den Erfolg der JVP lassen sich verschiedene Gründe anführen. Die NPP mit der JVP als ihrem Zentrum wird als Bündnis wahrgenommen, das am ehesten mit den etab­lierten Parteien und Politikerdynastien bricht, wie bereits Dissanayakes Wahl zum Präsidenten zeigte. Sie gilt damit auch als glaubwürdiger in ihren Versprechen, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern sowie gegen Korruption und Nepotismus vorzugehen.