OAV-Vorstand zum Gespräch bei Bundeswirtschaftsministerin Zypries

Die fundamentalen Umwälzungen im Raum Asien-Pazifik verlangen eine aktualisierte Reflexion der Prioritäten und Strategien der deutschen Asienwirtschaft. Vor diesem Hintergrund fand am 07. August 2017 eine außerordentliche Vorstandssitzung in Berlin statt, bei der anhand von drei Themenkomplexen die Perspektiven und Handlungsoptionen der deutschen Unternehmen erörtert wurden.

08.08.2017

Im Anschluss an die vom OAV-Vorsitzenden Hans-Georg Frey geleitete Sitzung fand ein Treffen mit Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries statt. Dabei wurden die Ergebnisse der Sitzung vorgetragen und über mögliche Konsequenzen diskutiert.

Herr Frey, Herr Hans-Christian Sievers (Helm AG) und Herr Ralf Scheller (TÜV Rheinland) stellten in Impulsstatements der Ministerin je die OAV-Position vor. Im Kreis des OAV-Vorstandes bestand Konsens, dass Asien-Pazifik auch künftig der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft sein wird. Dabei bleibt die VR China aufgrund der schieren Volumina ein unverzichtbarer Markt. Hier müsse beharrlich und zunehmend branchenfokussiert auf einen gleichberechtigten Marktzugang gedrängt werden. Angesichts der Technologiestärke deutscher Unternehmen und des wachsenden Bedarfs in China bestünden durchaus Chancen, die Führung des Landes vom Abbau bestehender Restriktionen zu überzeugen.

Parallel sollte vor allem das Engagement in Indien und den ASEAN-Staaten erhöht werden. Ein Schwerpunktland sollte perspektivisch Indonesien werden. Sinnvoll sei ein stufenweises Vorgehen, das mit der Errichtung von Sales- und Service-Einheiten beginnt, über Produktionsanlagen fortfährt und schließlich auch Entwicklung vor Ort betreibt. Ein Weg, der starken asiatischen Konkurrenz etwas entgegenzusetzen, sei einerseits ein frühes privatwirtschaftliches, diplomatisches und entwicklungspolitisches Engagement in Potenzialländern wie Bangladesch und Myanmar.

Andererseits seien bei einer auf die Zielländer ausgerichteten Bildungs- und Kulturpolitik wie auch bei der Etablierung von Technologiepartnerschaften noch erhebliche Spielräume vorhanden. Damit lasse sich ein breites Wohlwollen gegenüber Deutschland generieren, das sich bei späteren Verhandlungen und Ausschreibungen auszahlen könne. Bewährt habe sich die Installierung von direkten Einfluss- und Clearingkanälen wie dem Fast-Track-Verfahren in Indien. Hierin könne ein generelles Instrument gesehen werden, deutsche Interessen wirksam zu vertreten.

Sorgen wurden hinsichtlich der politischen Risiken in Asien, speziell mit Blick auf Nordkorea und das Südchinesische Meer geäußert. Dabei sei auch ein größerer Beitrag der Bundesrepublik zur Stabilität in Asien nötig, die wiederum Voraussetzung für Wohlstand hierzulande ist.

Was die Handelsbeziehungen mit Asien-Pazifik betrifft, stehen die deutschen Unternehmen vor einer doppelten Herausforderung. Neben der Gefahr, den Anschluss an asiatische und transpazifische Freihandelsdynamiken zu verlieren, sei eine verstärkte Regionalisierung und Lokalisierung der Wertschöpfungsaktivitäten in Asien zu beobachten. Auf beide Trends gelte es, entschlossen zu reagieren. Der Handlungsdruck wird als so hoch eingeschätzt, dass im Zweifelsfall auch weniger ambitionierte bilaterale Abschlüsse akzeptiert werden sollten. Das Idealziel bleiben indes multilaterale Freihandelsabkommen, die auch umfassende Arbeits- und Umweltschutzauflagen enthalten. Keine Abstriche sollten jedoch beim Investitionsschutz gemacht werden, der als unabdingbare Bedingung für ein Engagement angesehen wird.

Mit Blick auf die rapide zunehmende Verlagerung von Produktionsschwerpunkten nach Asien stelle sich die Frage, inwieweit dies bei der EU-Handelsstrategie berücksichtigt werden müsste und wie die deutsche Außenwirtschaftsförderung dieser Tendenz Rechnung tragen kann. In diesem Kontext sollte auch bedacht werden, dass mit der Konzentration von bestimmten Branchen in Asien ggf. auch eine wachsende Abhängigkeit von wichtigen Produkten wie z.B. Antibiotika und Batterien einhergeht.

Bei einer Nachjustierung der Asienstrategie müssen auch die diversen Infrastruktur- und sonstigen Großprojekte beachtet werden. Dies gelte speziell für Chinas Belt and Road Initiative (BRI), bei der noch nicht absehbar sei, ob die hochgesteckten Ziele tatsächlich erreicht werden. Damit die Initiative ein Erfolg wird und damit auch deutsche Unternehmen partizipieren können, sei ein noch intensiverer Dialog mit China hinsichtlich der regulativen Anforderungen erforderlich. Ein solcher Dialog sei auch im Hinblick auf die forcierte Industriepolitik Chinas nötig.

Begrüßt wurde die Einrichtung der Stabsstelle für strategische Auslandsprojekte. Es wurde eingeräumt, dass die deutschen Fähigkeiten, Großprojekte umzusetzen, begrenzt sind. Um aber die bestehenden Chancen nutzen zu können, sollte sowohl frühzeitig – mit gebündelter Unterstützung des diplomatischen Apparates – mit dem Screening möglicher Projekte begonnen werden als auch eine kritische Bestandsaufnahme der eigenen Förderrichtlinien (OECD-Regeln) und den Möglichkeiten zur Haftungs- und Risikoübernahme vorgenommen werden. Insgesamt wurde der Wunsch geäußert, ein Stück weit die bisherige Rolle als selektiver Komponentenzulieferer aufbrechen zu können.

All diese Aspekte wurden im Gespräch mit der Ministerin angesprochen, wobei beim Gros der Punkte Einigkeit vorherrschte. Die Vertreter des Wirtschaftsministeriums wurden ermuntert, noch stärker von der sektoralen Fachkompetenz der OAV-Mitglieder Gebrauch zu machen und das Gespräch zu suchen, was auf positive Resonanz stieß.