Der Brexit aus asiatischer Perspektive - Veranstaltungsrückblick
Am 2. August lud der OAV zu einer Diskussion mit Satoshi Shimoda, General Manager, Nikkei Asian Review, Nikkei Europe Ltd., ein. Herr Shimoda gab spannende Einblicke in die Auswirkungen des Brexits in Asien sowie dessen Einfluss auf asiatische und deutsche Unternehmen.
02.08.2016Der Brexit hat bereits kurz nach dem Referendum erhebliche negative Auswirkungen nach sich gezogen – auch auf Asien. Kurz nach Bekanntgabe des Ergebnisses stürzte das Pfund auf einen neuen Tiefstand ab und viele Anleger flüchteten sich sogleich in den „sicheren Hafen“ Yen, dessen steigender Kurs wiederum japanischen Exporteuren große Probleme bereitet. Auch stellten die Kursschwankungen die Zentralbanken vor neue Herausforderungen. Zudem stürzten die Aktienkurse verschiedener asiatischer Unternehmen ab. Die mittel- und langfristigen Folgen der Entscheidung des britischen Volkes bleiben jedoch noch weitestgehend unklar.
Neben den oben genannten Reaktionen ist die aktuell bedeutendste Folge für die Geschäftswelt laut Shimoda die zurzeit in Großbritannien empfundene, diffuse Unsicherheit. Diese betrifft nicht nur die nationale Politik und die britischen Unternehmen, sondern vor allem auch asiatische und insbesondere japanische Unternehmen und Investoren. Laut Shimoda haben sich in der Vergangenheit 80 Prozent aller japanischen Unternehmen dazu entschlossen, ihr europäisches Headquarter in Großbritannien anzusiedeln. Nach einer Umfrage der Zeitschrift „Nikkei“ unmittelbar nach dem Brexit äußerten sich 25 Prozent der japanischen Großunternehmen im Vereinigten Königreich, dass sie eine Neuorientierung ihrer Europa-Strategie in Erwägung zögen. Herr Shimoda betonte, dass oben genannter Unsicherheit in den Erwägungen japanischer Manager eine zentrale Bedeutung zukomme.
Zudem gebe es unter den japanischen Finanzinstituten Bedenken, den „EU Passport“ – also die Lizenz zu EU-weiten Aktivitäten – zu verlieren. So kündigte kurz nach dem Referendum neben weiteren internationalen Instituten auch die japanische Mizuho Bank an, ihr Engagement in Amsterdam zu verstärken. Grundsätzlich stünden zurzeit neben Amsterdam v.a. Dublin, Paris und Frankfurt am Main in der Gunst der Manager. Auch könnte Großbritannien, welches in der Vergangenheit eine wichtige Finanzquelle – z.B. für große Infrastrukturprojekte in Asien – war, einen Teil seiner Bedeutung als internationaler Geldgeber einbüßen. Diese Lücke könnte wiederum mittelfristig von chinesischen oder anderen asiatischen Banken gefüllt werden, welche ihre Internationalisierung zunehmend ausbauen.
Demgegenüber scheinen die Unsicherheiten in der Europäischen Union nur einen begrenzten Einfluss auf die künftige Entwicklung der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN zu haben. So betonte der ehemalige Generalsekretär der ASEAN in der Nikkei Asian Review, Surin Pitsuwan, dass die EU stets „als eine Inspiration für ASEAN diene, nicht jedoch als ein Modell“. Ferner ist die kulturelle, ethnische, wirtschaftliche und politische Heterogenität in Südostasien weitaus stärker ausgeprägt, sodass eine tiefgreifende politische Integration nach EU-Vorbild zunächst schwierig erscheine. Vielmehr stünde hier der Ausbau einer Wirtschaftsunion im Vordergrund, so Shimoda.
Einigkeit bestand in dem Punkt, dass es noch zu früh sei, um Mutmaßungen über ein Scheitern der Europäischen Union anzustellen – nicht zuletzt deshalb, weil die Pläne der neuen britischen Premierministerin, der deutschen Kanzlerin sowie der weiteren EU-Regierungschefs noch unklar seien. Zuletzt waren sich viele Teilnehmer einig, dass „das letzte Wort noch nicht gesprochen sei“ und dass sich in den kommenden Jahren durch unterschiedliche, aktuell schwer vorhersehbare Faktoren eine Situation ergeben könnte, die einen „Exit vom Brexit“ ermöglichen könnte.
Weitere Beiträge zu dem Thema finden Sie in der Ausgabe der Nikkei Asian Review „Bye bye Britain“.