Energiewende in Südkorea?
Eines der hierzulande am meisten beachteten Reformvorhaben der Moon-Regierung war die Ankündigung einer Energiewende in Korea. Die Abkehr von Kohle- und Atomstrom scheint vor dem Hintergrund der bisherigen Industrie- und Energiepolitik gleichermaßen überraschend wie ehrgeizig. Die Herausforderungen für eine Energiewende in Korea sind sehr vielfältig – ebenso wie die Chancen, von Deutschland zu lernen.
Die Wahl Moon Jae-ins zum Präsidenten im Mai 2017 bedeutete einen energiepolitischen Richtungswechsel. Noch wird die Energieversorgung Südkoreas mit einem Anteil von über 85 Prozent von fossilen Brennstoffen dominiert. Die Kernenergie spielt im Stromsektor mit circa 30 Prozent Erzeugungsanteil ebenfalls eine wichtige Rolle. Statt der von der Vorgängerregierung geplanten Ausweitung der Kohlekraft und Kernenergie wird nun beabsichtigt, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 5 Prozent auf 20 Prozent bis zum Jahr 2030 auszuweiten. Die Atompolitik des Landes soll umfassend überprüft, die Pläne für den Bau neuer Kernreaktoren gestoppt und die Laufzeiten existierender Anlagen nicht mehr verlängert werden. Im Dezember 2017 veröffentlichte das Ministerium für Handel, Industrie und Energie den Entwurf eines Umsetzungsplanes für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Erneuerbare Produktionskapazitäten sollen demnach bis 2030 um 48,7 GW erweitert werden, wovon 19,9 GW durch die Installation von Solarmodulen für den privaten Gebrauch in ländlichen Gebieten und bei kleinen Unternehmen und 28,8 GW durch Großprojekte der staatlichen Stromerzeuger erreicht werden sollen. Solarenergie macht insgesamt 63 Prozent und Windkraft 34 Prozent des geplanten Kapazitätszuwachses aus. Der Entwurf umfasst zudem die Einführung eines Einspeisetarifs für kleine Solarerzeuger und die Erhöhung der für große Stromproduzenten vorgeschriebenen erneuerbaren Energieversorgungsrate von derzeit 5 Prozent auf 28 Prozent bis zum Jahr 2028.
Eine Vielzahl von Herausforderungen
Die angestrebte Umstrukturierung der Energiepolitik stellt Südkorea vor massive Herausforderungen. Aufgrund der geografischen Bedingungen – etwa 70 Prozent Südkoreas sind von Gebirge bedeckt – ist die Verfügbarkeit von Landflächen für den Aufbau erneuerbarer Energieanlagen stark limitiert. Hinzu kommt die Lage Südkoreas, ohne Zugang zu den Strommärkten benachbarter Länder, welche den Ausgleich von Schwankungen in der Erzeugung variabler erneuerbarer Energien erschwert. Um die Ziele des Ausbaus erneuerbarer Energien und der Emissionsreduktion zu erreichen, spielt zudem die Steigerung der Energieeffizienz eine wichtige Rolle. Die von der Regierung festgelegten geringen Strompreise in Korea bieten allerdings keinen Anreiz für energieeffizientes Handeln. Sie sind etwa halb so hoch wie der OECD-Durchschnitt. Die öffentliche Akzeptanz erneuerbarer Energien und die Bereitschaft zu höheren Strompreisen hat sich nach der Atomkatastrophe von Fukushima in Japan im Jahr 2011 deutlich erhöht, ist aber noch immer relativ niedrig im Vergleich zu vielen anderen Industriestaaten. Für die Umsetzung der neuen energiepolitischen Ziele ist daher die Schaffung von Akzeptanz in der koreanischen Bevölkerung und Industrie eine weitere Herausforderung.
Vertiefung der bilateralen Energiebeziehungen mit Korea
Die neue Energiepolitik in Korea bietet ein großes Potenzial für den energiepolitischen Austausch und eine vertiefte Energiezusammenarbeit zwischen Deutschland und Korea. Um diese zu intensivieren, unterstützt ein Konsortium, bestehend aus Adelphi, OAV, Wuppertal Institut sowie der deutschen Auslandshandelskammer (AHK), das BMWi bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des energiepolitischen Dialogs mit Südkorea. Dazu werden wissenschaftliche Kurzgutachten und Hintergrundstudien erstellt, Expertenworkshops und energiepolitische Veranstaltungen organisiert sowie Delegationsreisen geplant und umgesetzt. Im September 2017 fand im Rahmen der Messe „Korean Energy Show“ in Goyang ein erster Workshop zur „Energiewende in Korea und Deutschland“ statt. Im Anschluss daran wurde im Dezember zum gleichen Thema eine Studienreise nach Berlin für eine koreanische Delegation mit Vertretern aus Wirtschaft, Forschung und Politik organisiert. Zuletzt fand Anfang Mai 2018 der „Koreanisch-Deutsche Energietag“ in Incheon auf der „REECON – International Renewable Expo & Conference“ statt, auf welchem der bilaterale Austausch zu den Themen Erneuerbare Energien und Energieeffizienz weiter vertieft wurde. Im Laufe des Jahres sind zudem weitere Expertenworkshops sowie Studienreisen nach Deutschland geplant.