„Wirtschaftsgürtel entlang der Seidenstraße“: Neue Perspektiven für die Schiene
Die Seidenstraße als eine der ältesten Handelsrouten der Welt erlebt seit einigen Jahren eine Renaissance. Begriffe wie Neue Seidenstraße, Silk Road oder neuerdings auch die von der chinesischen Regierung verkündete One Belt One Road Initiative (OBOR) sind mittlerweile in aller Munde. Als internationaler Transport- und Logistikdienstleister arbeitet die Deutsche Bahn an der Entwicklung dieses bedeutenden Infrastrukturprojekts aktiv mit und sieht hier für die Bahn große Chancen.
Die Eisenbahn gestaltet seit knapp 200 Jahren Mobilität, Fortschritt und Wachstum. Mit ihrem Ursprung in England hat sie in vielen Ländern neue Räume und Handelsrouten erschlossen. Im 21. Jahrhundert ist die Bahn starkes Rückgrat der jeweiligen Schlüsselindustrien und Verkehrsmittel für zig Milliarden Menschen pro Jahr. Nur ein Beispiel: Allein in Deutschland nutzen jedes Jahr rund 2,7 Milliarden Menschen die Bahnen und Busse der Deutschen Bahn.
Es ist offensichtlich: Weltweit erleben wir eine Renaissance der Schiene. Ob es die steigende Nachfrage nach klimafreundlichem Verkehr, die wachsende Urbanisierung oder der demografische Wandel ist: Die großen Veränderungen machen deutlich, dass an einer starken Schiene kein Weg vorbei führt.
Gleichzeitig verändern sich die Mobilitätsbedürfnisse im digitalen Zeitalter fundamental und die Deutsche Bahn (DB) arbeitet daran, für ihre Kunden in rund 130 Ländern Mobilitäts- und Transportlösungen intelligent und einfach zu managen. Die Zeiten jedenfalls, in denen wir ein reines Eisenbahnunternehmen waren, sind lange vorbei.
Die Geschichte der Seidenstraße reicht weit zurück. Die erste Karawane soll etwa um das Jahr 100 vor Christus mit Seide im Gepäck von Chinas alter Hauptstadt Chang'an, heute Xi'an, Richtung Europa gestartet sein. Doch die Chinesen handelten nicht nur mit Europa, sondern auch mit den angrenzenden asiatischen Reichen. Und das Netz von Karawanenstraßen durch Vorder- und Zentralasien wurde immer dichter. Vorwiegend nutzten Kaufleute diese Wege um Seide, Gewürze, Glas, Porzellan, Güter des täglichen Bedarfs von einem Ort zum anderen zu bringen. Die Seidenstraße verlor im 20. Jahrhundert an Bedeutung.
Andere Verkehrswege wie die Schifffahrt rückten in den Vordergrund. Seit einigen Jahren erfährt der Wirtschaftsgürtel entlang der ehemaligen Seidenstraße jedoch wieder eine Renaissance. Für die DB als internationaler Transport- und Logistikdienstleister schafft die Entwicklung des Wirtschaftsgürtels in zweierlei Hinsicht neue Perspektiven: Erstens steigt die Nachfrage nach Gütertransporten per Eisenbahn und zweitens ist das Know-how der DB bei der Errichtung der Infrastruktur gefragt.
1. Güterverkehr per Eisenbahn
Die DB leistete Pionierarbeit bei der Entwicklung von Eisenbahntransporten zwischen China und Europa. 2008 empfing die DB den ersten Containertestzug aus Peking in Hamburg. Der erste reguläre Containerzug rollte Ende März 2012 ab Chongqing nach Duisburg. In Richtung China beliefert die DB zusammen mit Partnerbahnen bereits seit 2011 im Auftrag der BMW Group das Automobilwerk in Shenyang. BMW hat erst kürzlich den Vertrag mit der DB für die Beförderung von Fahrzeugteilen aus den Werken Leipzig und Regensburg über die transsibirische Route verlängert.
Aktuell bedient die DB zwei Routen, eine weitere über den Kaukasus ist im Aufbau (siehe Grafik). Hierzu sind wir mit internationalen Partnern im Gespräch wie beispielsweise mit der Georgischen Bahn. Erst kürzlich wurde eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Der Trend zeigt, dass Kunden immer mehr nach Transportlösungen mit der Eisenbahn fragen. Vor allem die Verknüpfung von Straße und Schiene nimmt an Bedeutung zu. Der Vorteil ist, dass zum Beispiel die Züge zwischen China und Deutschland mit 12 bis 16 Tagen doppelt so schnell unterwegs sind wie per Schiff. Vor allem der Westen Chinas ist so viel schneller zu erreichen. Aber auch Gütertransporte aus anderen Ländern wie Taiwan, Japan und Südkorea können per Feederschiff an die Landbrücke anknüpfen.
Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist dabei zunehmend die Digitalisierung. Unternehmensübergreifende Kommunikationsportale für Logistikaufträge bei der Vorbereitung und Durchführung von grenzüberschreitenden Transporten sorgen für schlankere Abläufe und eine größere Transparenz mit einer geringeren Fehlerquote. Der digitale Frachtbrief muss auch im Bahnverkehr Standard werden, denn die Zukunft im Logistikbereich hat wie in der Industrie längst begonnen. Die Chancen der Digitalisierung gilt es auch im Logistikbereich optimal zu nutzen, um flexible und höchst effiziente Gütertransporte zu ermöglichen.
2. Eisenbahninfrastruktur
China unternimmt gewaltige Anstrengungen den Seidenstraßengürtel wiederzubeleben und hat 2013 unter den Namen „One Belt One Road“ (OBOR) eine neue Initiative gestartet. China will über die Initiative in Drittländern Infrastrukturmaßnahmen gestalten und so in mehr als 65 Ländern aktiv werden. Zur Finanzierung hat China einen Fond in Höhe von 40 Milliarden Dollar gebildet und gleichzeitig die „Asien Infrastructure Investment Bank“ (AIIB) mit 100 Milliarden Startkapital ins Leben gerufen.
Am 29. Juni 2015 unterzeichneten Vertreter aus 57 Ländern die Gründungsurkunde der AIIB in Peking. Unter anderem auch Deutschland, Frankreich, Italien und das Vereinigte Königreich haben als nichtregionale Mitglieder die Gründung der neuen Entwicklungsbank unterstützt. Insgesamt sollen die euroasiatischen Verkehrswege den Bedingungen der neuen Wirtschaftsentwicklung angepasst werden und Asien und Europa wirtschaftlich näher zusammenbringen. Auch in Südeuropa ist die DB aktiv und hat beispielsweise im November 2016 mit der Reederei WWL ein Joint Venture gegründet, um den Hafen Monfalcone zum Automobilhub an der Adriaküste zu entwickeln. Damit kann die Transportzeit Richtung Asien um bis zu acht Tage verkürzt werden.
Das Knowhow der DB ist weltweit gefragt. Nicht nur internationale Firmen aus China und anderen asiatischen Ländern fragen nach Beratungsleistungen an. Die DB unterstützt mit ihrem Ingenieur-Know-how seit 50 Jahren verkehrsspezifische Infrastrukturprojekte. Die DB-Tochterfirma „DB Engineering & Consulting GmbH“ (DB E&C) bietet Infrastruktur-, Mobilitätsund Transportlösungen in Deutschland und weltweit an und zählt zu den führenden Dienstleistern für Ingenieur und Beratungsleistungen im Verkehrsbereich. Die Firma beschäftigt rund 4.000 Mitarbeiter aus 66 Nationen. Ähnlich wie in der Logistik spielt auch bei der Planung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten die Digitalisierung eine immer größere Rolle. Das Beherrschen und Verknüpfen von Daten und Schnittstellen ist maßgeblich für nachhaltigen Geschäftserfolg.
Die DB E&C übernimmt die Technologieführerschaft für ausgewählte Leistungen der Infrastrukturplanung und –realisierung wie beispielsweise bei der vorausschauenden Instandhaltung von Infrastruktur und Fahrzeugen, beim Building Information Modeling (BIM), beim stationären und dynamischen Laserscanning, dem Einsatz von Multicoptern oder dem Georadar, der zerstörungsfreien Information über die Bodenbeschaffenheit. Der Einsatz digitaler Technologien stärkt die Markt und Angebotspositionierung des Unternehmens und erhöht bei der Projektabwicklung die Qualität und Effizienz.
Im Rahmen der One Belt One Road Initiative kann sich die DB eine Zusammenarbeit sowohl mit chinesischen Investoren als auch mit anderen Staaten vorstellen, die ebenfalls Projekte entlang der Seidenstraße verfolgen. Zum Beispiel arbeitet die DB E&C mit der Russischen Eisenbahn seit März 2014 erfolgreich in Serbien zusammen. Die Maßnahmen entlang der Seidenstraße helfen, neue Transportrouten auf der Schiene für den Kunden zu erschließen. Im vergangenen Jahrzehnt sind im euroasiatischen Raum sehr viele Aktivitäten gestartet worden, um die Verkehrsinfrastruktur weiter zu stärken.
Unter dem Begriff „Seidenstraße“ lassen die neuen Verkehrswege zu Lande oder See den euroasiatischen Raum zusammenwachsen. Die Entwicklung des „Wirtschaftsgürtels entlang der Seidenstraße“ schafft neue Perspektiven für die Schiene und weit darüber hinaus. Die DB jedenfalls ist bereit, die neuen Verkehrswege im 21. Jahrhundert mitzugestalten.