Zukunft der Rinderhaltung in China - Weiterbildung als Schlüsselelement

Überlegungen im Rahmen des deutsch-chinesischen Kooperationsprojektes zur Weiterentwicklung der Rinderzucht in China.

Die wirtschaftliche Entwicklung der Volksrepublik China geht einher mit veränderten Konsumgewohnheiten, insbesondere auch bei Lebensmitteln. Die Tendenz zu höherwertiger Ernährung wird insbesondere am pro-Kopf Verbrauch von tierischen Lebensmitteln deutlich. So stieg der pro-Kopf Verbrauch von Fleisch inzwischen auf über 60 kg, beim Milchkonsum auf über 25 kg pro Kopf und Jahr. Chinesische Experten gehen davon aus, dass insbesondere der Verzehr von Milch und Rindfleisch weiter steigen wird. Die chinesische Regierung unterstützt im Rahmen nationaler Entwicklungsprogramme für gesunde Ernährung eine weitere Steigerung des Milch-
konsums der Bevölkerung. So werden zum Beispiel in den Schulen Milchprodukte zum Teil kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Weiterhin spielen die großen Milchverarbeitungsunternehmen bei der Entwicklung des Milchsektors eine wichtige Rolle, da sie diese Dynamik durch ein intensives Marketing für Milchprodukte und Anreize für Milcherzeuger zur Ausweitung der Produktion forcieren. Die daraus resultierende Ausweitung und Intensivierung der Rinderhaltung erfolgt auf der Basis einer zügigen Verbreitung international typischer Produktionssysteme moderner Rinderhaltung, vorwiegend in den bevölkerungs-
ärmeren, nördlichen Provinzen der Volksrepublik.

Allerdings ist auch in diesen Gebieten die Verfügbarkeit landwirtschaftlicher Nutzflächen für die Futterproduktion begrenzt, sodass die Ausweitung in Konkurrenz um die knappen Ressourcen mit anderen landwirtschaftlichen Produktionsverfahren erfolgt. Die Branche ist dabei durch eine hohe Dynamik und Investitionsbereitschaft gekennzeichnet. Nachholbedarf gibt es aber bei der praktischen Umsetzung und dem Management der Rinderhaltungssysteme.

Der Melamin-Skandal 2008 hat den Strukturwandel in der chinesischen Milchindustrie beschleunigt. Die chinesischen Konsumenten verlangen heute Produkte, die sich weitgehend an europäischen oder japanischen Qualitätsstandards orientieren. Der kleinbäuerlichen Milchviehhaltung wird dabei nicht zugetraut, den steigenden An-
sprüchen der Konsumenten gerecht zu werden, da nur größere Milchviehbetriebe die logistischen und hygienischen Ansprüche der Molkereiunternehmen erfüllen können.

Das Projekt

Das deutsch-chinesische Rinderzuchtprojekt setzt an diesen Punkten an und sieht vor, die Produktionskette der Milch- und Rindfleischerzeugung in ihrer Leistungsfähig-
keit, Qualität und Ressourceneffizienz zu verbessern. China ist an der Nutzung von deutschem Know-how, deutscher Rindergenetik sowie technologischer Systeme für Futterproduktion und Rinderhaltung sehr interessiert. Für deutsche Unternehmen der Rinderhaltungsbranche bieten sich hervorragende Möglichkeiten, sich mit ihren Produkten und Technologien in China einzubringen und von dieser dynamischen Entwicklung zu profitieren.

Vorteilhaft ist dabei, dass China und Deutschland mit den gleichen Rinderrassen (Holstein, Fleckvieh, Braunvieh) arbeiten. Allerdings gibt es auch Unterschiede, so wird in China der Futterbau häufig in völlig getrennt arbeitenden Betriebseinheiten betrieben. Dies erschwert zum Beispiel die Abstimmung hinsichtlich der Planung der Fut-
termengen und der Futterqualität. Auf der deutschen Seite wird das Vorhaben im Rahmen des Bilateralen Kooperationsprogramms des Bundesministeriums für Ernähr-
ung und Landwirtschaft durchgeführt und unterstützt.

Hinzu kommen Mittel des chinesischen Landwirtschaftsministeriums. Darüber hinaus erbringen beteiligte deutsche Wirtschaftsunternehmen der Rinderzucht, Rinder-
haltung und Haltungstechnik sowie zehn ausgewählte chinesische Demonstrationsbetriebe einen substantiellen Anteil der Projektleistung. Die praxisorientierte Weiterbildung von Fachkräften der Demonstrationsbetriebe hat sich dabei im bisherigen Projektverlauf als Maßnahme mit einem sehr hohen Wirkungsgrad heraus-
gestellt, da die chinesischen Fachkräfte zwar häufig über eine gute fachlich-theoretische Ausbildung verfügen, allerdings nicht ausreichend praxisorientiert geschult sind.

Vor dem Hintergrund des boomenden Milchsektors ist die Weiterbildung ein Schlüsselbereich, um motivierte und qualifizierte Fachkräfte aufzubauen. Dies wird von den expandierenden Milchproduktionsbetrieben erkannt. Sie wissen, dass Investitionen in Stallanlagen, Zuchttiere und Futter nicht zum Erfolg führen können, wenn motivierte, gut ausgebildete Mitarbeiter fehlen.

Methodische Herangehensweise und inhaltliche Schwerpunkte

Zielgruppe der Weiterbildung sind in der Regel leitende Mitarbeiter von größeren rinderhaltenden Betrieben in China. Im Rahmen des Projektes werden Weiterbild-
ungsmaßnahmen in Deutschland und in China angeboten. In Deutschland hat sich in den letzten drei Jahren eine praxisorientierte drei-wöchige Kurzzeitschulung etabliert, die in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Wirtschaftsunternehmen sowie der Tierhaltungsschule in Triesdorf/Bayern durchgeführt wird.

Die Kurzzeitschulung deckt alle wesentlichen Aufgabenbereiche einer modernen Rinderhaltung ab und umfasst sowohl theoretische Schulungen als auch praktische Unterweisungen in Kleingruppen im Melkstand und im Stall.

Weiterbildungen in China umfassen drei- bis fünf-tägige Seminare zu ausgewählten Spezialthemen (Rinderfütterung, Herdenmanagement, Klauengesundheit).
Der Praxisbezug wird dadurch sichergestellt, dass die Seminare im Umfeld eines der Demonstrationsbetriebe abgehalten werden. Ergänzt werden die überbetrieb-
lichen Seminare durch betriebsindividuelle Ad-hoc Seminare im Rahmen von Vorortberatungen auf den Demonstrationsbetrieben. Hierzu greift das Projektteam auf einen Satz von Weiterbildungsmodulen zu relevanten Fach- und Managementthemen zurück, die im Rahmen des Projektes entwickelt wurden.

Weiterbildung ist ein Schlüsselelement

Ergebnisse und Perspektiven

Die Weiterbildungsangebote in Deutschland und China stoßen bisher auf eine sehr gute Resonanz. Allerdings können in Deutschland bereits vorhandene Weiterbil-
dungskonzepte nicht 1:1 auf China übertragen werden, sondern bedürfen einer Anpassung an chinesische Verhältnisse. So führen zum Beispiel die knappe Flächen-
ausstattung der Betriebe sowie substantiell unterschiedliche Produktionskosten zu veränderten Empfehlungen bei der Gestaltung von Futterrationen oder beim Herdenmanagement. Insofern ist es vorteilhaft, dass die fachlichen Inhalte der Weiterbildung fortlaufend im Kontext der zehn beteiligten Demonstrationsbetriebe überprüft werden.

Die praxisorientierte Weiterbildung von Fachkräften der Demonstrationsbetriebe wird auch in der anstehenden Erweiterung des Vorhabens auf weitere Betriebe und ggf. weitere Tierarten ein Schlüsselelement im Projektvorhaben bleiben. Es ist dabei erkennbar, dass umsetzbares Know-how von den tierhaltenden Betrieben zuneh-
mend als entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Weiterentwicklung ihrer Betriebe angesehen wird. Da sich die öffentlichen Bildungsträger in China bisher im Bereich der Tierhaltung auf eine theoretische Grundausbildung beschränken, hängt die praxisorientierte Weiterbildung im Wesentlichen von der Eigeninitiative und dem Engagement der tierhaltenden Betriebe selbst ab.

Der ökonomische Nutzen einer regelmäßigen und praxisorientierten Weiterbil-
dung wird dabei zunehmend erkannt und die Betriebe zeigen eine steigende Bereitschaft, finanzielle Aufwendungen für Weiterbildungsmaßnahmen zu tä-
tigen. Dies bietet zukünftig die Möglichkeit, Weiterbildung für tierhaltende Betriebe auch kommerziell anzubieten. Die Weiterbildung muss aber auf einer fundierten Ausbildung basieren.

Auch für die Projektbeteiligten der deutschen Agrarwirtschaft bleibt die Weiter-
bildung eine essentielle Komponente für eine weitere Durchdringung des chine-
sischen Marktes. Rindergenetik, Stalltechnik und Technologien aus Deutschland können sich häufig nur dann erfolgreich in China etablieren, wenn durch eine be-
gleitende Weiterbildung eine erfolgreiche Implementierung sichergestellt ist.

Die beteiligen Unternehmen der deutschen Agrarwirtschaft sind deshalb an einer Fortführung des Vorhabens sehr interessiert.

 

 

 

Dr. sc. agr. Ferdinand Schmitt

Dr. sc. agr. Ferdinand Schmitt ist Managing Director der ADT Projekt GmbH.

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