add art – Hamburgs Wirtschaft öffnet Türen für Kunst
In den Büros deutscher Unternehmen regiert nüchterne Schlichtheit. Mitarbeiter wandern entlang karger Wände von Meeting zu Meeting – so der Eindruck, der mancherorts herrscht. Doch hinter den der Öffentlichkeit meist verschlossenen Türen warten vielfältige Kunstsammlungen mit den unterschiedlichsten Geschichten.
In Hamburg wurden die verschlossenen Türen im Rahmen von „add art“ vom 23. bis 26. November 2017 aufgestoßen. Kunstinteressierte oder einfach nur Neugierige durften sich nach Herzenslust in 20 Hamburger Unternehmen bewegen und deren Kunstobjekte betrachten. Dabei standen nicht nur die bereits vorhandenen Sammlungen im Fokus, denn die Unternehmen kooperierten mit zahlreichen Nachwuchskünstlern der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg. Diese erhielten nicht nur eine Plattform, um ihre Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren, sondern auch das Angebot eines späteren Werkankaufs.
Der OAV beteiligte sich 2017 erstmals an „add art“ und lud an drei Abenden zur Kunstbesichtigung in seine Räumlichkeiten im Zentrum Hamburgs ein. Neben der Ausstellung der bestehenden Sammlung von großformatigen Fotografien aus verschiedenen Ländern Asiens, gab man auch zwei chinesischen Nachwuchskünstlern die Möglichkeit, ihre ganz unterschiedlichen Werke vorzustellen. Zhonghao Yan setzte sich in seinem Projekt „Made in China“ mit Stereotypen von chinesischen „Billigprodukten“ und Handwerkskunst auseinander und begleitete dazu traditionelle Herstellungsprozesse zeitgenössischer Möbelproduktion in China fotografisch. Als Designer visueller Kommunikation legte Cheng Jia Wert auf die emotionale Verbindung zwischen Marken und Menschen. In dem Branding-Projekt „HafenCity MusicCity“ nutzt er lokale Audio-Elemente als innovatives Mittel, um die Marke HafenCity zu visualisieren. Seine Arbeit ermöglicht es, aus urbanen Klängen der HafenCity ein eigenes Musikstück zu kreieren.
Ebenso vielfältig ging es bei anderen Hamburger Unternehmen zu. Während das Hotel Le Méridien Hamburg eine der größten Dauerausstellungen zeitgenössischer Kunst außerhalb der Museumswelt darbot, inklusive aufwendiger Holzskulpturen des Künstlers Yves Rasch und Superhelden Montagen des Pariser Fotografen Sacha Goldberger, dominierten bei Vattenfall ungegenständliche Malereien, Zeichnungen und Druckgrafiken der letzten 70 Jahre, die häufig einen Bezug zur Region aufweisen. Beim Gesundheitsunternehmen Lohmann Konzept standen moderne Kunstobjekte mit einer „zukunftsgewandten Auseinandersetzung mit gegenwärtigen gesellschaftlichen Phänomenen“ im Vordergrund. Die KPMG AG stellte mit Axt oder Kettensäge spontan-rhythmisch angefertigte Holzschnitte des Jungkünstlers Philip Angermaier aus.
Begleitet wurden die Ausstellungen durch eine Podiumsdiskussion mit dem Thema „Kunst für alle! Zwischen Mission und Kommerz den richtigen Weg finden“, bei der ein kritischer Blick auf den Spagat zwischen dem Bedürfnis nach kommerziellem Erfolg und dem Anspruch Kunst für jedermann zugänglich zu machen, geworfen wurde. Die Veranstaltung fand in der Handelskammer Hamburg statt und konnte Dr. Dirk Dobke, Geschäftsführer der Griffelkunst-Vereinigung Hamburg e.V., Oliver Lähndorf, Direktor Affordable Air Fair Hamburg, Jörg Wisniewski, Geschäftsführer lot-tissimo sowie Prof. Dr. Gesa Birnkraut, Inhaberin von Birnkraut & Partner, als Gesprächspartner begrüßen.
Mit den Auswirkungen des Kunstprojekts auf die teilnehmenden Unternehmen selbst setzt sich indes eine Studie, die 2015 im Rahmen von „add art“ von Prof. Dr. Ariane Berthoin Antal und Ilana Nussbaum Bitran vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung durchgeführt wurde, auseinander. Das Fazit der Studie: Kunst im Unternehmen wirkt – und das in überwiegender Weise – positiv. Die ausgestellten Kunstobjekte veränderten die Wahrnehmung von Räumlichkeiten, führten zu Gesprächen unter Mitarbeitern und Kunden und erlaubten einen neuen Zugang zu Kunst im Alltag. 81,8 Prozent der Unternehmen, die mit einer temporären Ausstellung von NachwuchskünstlerInnen bei dem Projekt teilgenommen hatten, gaben an, sich regelmäßig oder dauerhaft Kunst am Arbeitsplatz zu wünschen.
Die mittlerweile fünfte Iteration von „add art“ ist laut den Veranstaltern vor allem auch als Aufruf zu verstehen – für Unternehmen, ihre Sammlungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, für Besucher, die Beschäftigung mit Kunst in ihrem Alltag aufzunehmen und für alle gemeinsam, Nachwuchskünstler bei ihrem Streben zu unterstützen. Für letztere dürfte bereits die durch „add art“ generierte Aufmerksamkeit sehr willkommen sein – über 1.700 Besucher erschienen zu den Führungen oder nutzten erstmals die Möglichkeit, sich über WhatsApp als zusätzlichen Informationskanal und Tourguide durch die Hamburger Kunstwelt geleiten zu lassen. Das Ziel, eine Begegnungsmöglichkeit für Mensch und Kunst im Alltag entlang der Innenstadt und HafenCity zu schaffen, hat das Projekt jedenfalls erfüllt – und das auf eine moderne und zugleich traditionsbewusste, vielleicht für Hamburg typische, Art.