„Wir haben uns in Produktion und Logistik auf Kernprodukte konzentriert“

Gerade für die Hersteller von medizinischen Materialien und Medizintechnik waren die letzten Monate sehr herausfordernd und ereignisreich. Welche Artikel wurden verstärkt nachgefragt? Wie konnte die höhere Nachfrage aufgefangen werden? Was lässt sich aus den jüngsten Ereignissen lernen? Wir haben Herrn Dr. Lugan, Vorstand beim MedTech-Konzern B. Braun, nach seinen Corona-Erfahrungen gefragt.


Herr Dr. Lugan, wie stellt/e sich die Corona-Krise für Ihr Unternehmen dar, speziell in Bezug auf die Aufrechterhaltung von Beschaffungsund Lieferketten und die Abwicklung von Aufträgen?

Die Corona-Krise hat die Wirtschaft und auch B. Braun vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Gerade zu Beginn der Krise stieg die Nachfrage nach persönlicher Schutzausrüstung, vor allem nach Handschuhen und Mundschutz, explosionsartig an. Diese Produkte beziehen wir aus Asien. Dank guter und langfristiger Beziehungen zu unseren Lieferanten konnten die Lieferungen nach kurzer Zeit wieder aufgenommen und die Kapazitäten erhöht werden. Dennoch gab und gibt es kurzfristige Lieferengpässe oder es sind nicht alle Produktvarianten lieferbar. Dies war auch bei Desinfektionsmitteln der Fall, die wir in der Schweiz herstellen. Die Krankenhäuser haben sich auch auf einen erhöhten Bedarf an intensivmedizinischen Behandlungen vorbereitet und deshalb verstärkt die notwendigen Produkte nachgefragt, insbesondere bestimmte Arzneimittel, Medicalprodukte und Infusionstechnik. In einigen Ländern kam es zu staatlich verordneten Betriebsschließungen oder Reduzierungen, was die Liefersituation weiter verschärft hat. Im Mittelpunkt steht seit Beginn der Corona-Krise das Ziel, die Versorgung bestehender Kunden in den Einrichtungen des Gesundheitswesens weitestmöglich sicherzustellen.

Welche konkreten Maßnahmen hat B. Braun bei Betriebsprozessen und beim Mitarbeitereinsatz zur Bewältigung der Krisensituation ergriffen?

Es kam darauf an, die Marktversorgung für die genannten Produkte sicherzustellen. Daher haben wir uns in Produktion und Logistik auf Kernprodukte konzentriert und dort verschiedene Maßnahmen getroffen. Dazu gehörte, in den Fertigungen die Schichtarbeit so weit wie möglich auszuweiten und zu optimieren und die Beschäftigten in diesen Kernprozessen einzusetzen. Eine Welle an Solidarität machte es möglich, Mitarbeiter*innen aus Verwaltung und Vertrieb in der Produktion und Logistik einzusetzen, um so die zusätzlichen Mengen bewältigen zu können. Aufgrund der guten Zusammenarbeit mit verschiedenen Behörden ist es auch gelungen, unbürokratisch Lieferungen über Ländergrenzen zu organisieren, zum Beispiel von China nach Deutschland oder von Deutschland nach Italien.

Werden Sie strukturelle Veränderungen vornehmen, damit das Unternehmen künftig noch besser vor Negativereignissen gewappnet ist?

95 Prozent seiner Produkte fertigt B. Braun in rund 120 eigenen Fabriken, die weltweit verteilt sind. Dadurch haben wir Versorgungsrisiken bereits vor der Corona-Krise reduziert. Dennoch gilt es, die Abhängigkeiten von Lieferanten zu verringern und die Lieferketten zu überprüfen und abzusichern. Dazu sind wir zum einen im intensiven Austausch mit unseren Partnern in Asien. Dabei kommt uns zugute, dass wir in allen wichtigen asiatischen Märkten mit Niederlassungen und Produktionen vertreten sind und ein bekannter und vertrauenswürdiger Partner sind. Zudem investieren wir in den Ausbau von Produktionskapazitäten von Arzneimitteln und vor allen von Desinfektionsmitteln. So haben wir an unserem Standort Sempach in der Schweiz im April mit dem Ausbau der Desinfektionsmittelproduktion begonnen. Von dort aus versorgen wir über 60 Länder. Bis 2022 wollen wir die Kapazitäten verdoppeln.


„Es gilt, die Abhängigkeiten von Lieferanten zu verringern und die Lieferketten abzusichern.“ Dr. Meinrad Lugan


Zum Autor:

Dr. Meinrad Lugan ist für die Sparten Hospital Care und Out Patient Market verantwortliches Vorstandsmitglied der B. Braun SE.