Geschäftserfahrungen in Vietnam
„Die lokale Wertschöpfung wird größer“
Die Messer Group schaut auf eine längere Präsenz in Vietnam zurück. Sie realisieren dort gerade das größte Investitionsprojekt der Firmengeschichte. Um was für ein Projekt handelt es sich und warum ist das Land so interessant für Sie?
Stefan Messer: Ein langjähriger Kunde baut gerade im Zentrum Vietnams ein neues Stahlwerk und wir konnten unsere gute Kooperation weiterführen und errichten derzeit zwei Luftzerlegungsanlagen, um das neue Stahlwerk mit Luftgasen zu versorgen. Das Interessante an diesem Projekt ist, dass unser Kunde in diesem Werk verschiedene Stahlsorten produzieren wird, die Vietnam derzeit noch importieren muss. Und diese Art von Investitionen, die den Anteil vietnamesischer Produkte in der lokalen Wertschöpfungskette vergrößern, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Dadurch vergrößert und verändert sich auch der Bedarf an Luft- und Spezialgasen rasant – diese Entwicklung ist natürlich eine Herausforderung, macht aber auch Vietnam für uns so interessant.
Bei Ihrem Produkt – Industriegase – handelt es sich um ein Vorprodukt zur industriellen Weiterverarbeitung. Auf welchem Weg sehen Sie Vietnam beim Aufbau einer stabilen industriellen Basis?
Stefan Messer: In den letzten Jahren ist Vietnam zu einem wichtigen Produktionsstandort für namhafte internationale Unternehmen geworden. Dadurch haben auch viele langjährige Lieferanten dieser Firmen angefangen, im Land zu investieren. Jedoch liegt Vietnams nächste große Herausforderung darin, starke lokale Lieferanten, die sogenannte supportive industry, aufzubauen. Die Regierung hat Maßnahmen dafür in die Wege geleitet, mit dem Ziel, dass bis 2025 übergreifend 65% des Bedarfs an Vorprodukten lokal produziert wird. Mit diesem Programm soll auch der lokale Mittelstand gefördert werden und wir sehen schon jetzt bei vielen unserer Kunden vor Ort eine Zunahme an Investitionen zum qualitativen Ausbau ihrer Produktion. Es ist ein ambitioniertes Ziel, bei dem viele Faktoren ins Spiel kommen und es schwer vorauszusagen ist, wie schnell es gehen wird – unseres Erachtens ist Vietnam dabei auf dem richtigen Weg.
Ihre Aktivitäten im Land waren sicher nicht immer reibungslos. Worauf sollten deutsche Unternehmen besonders achten und wo wünschen Sie sich ein stärkeres Entgegenkommen der vietnamesischen Seite?
Stefan Messer: Wir haben in den über 20 Jahren unserer Präsenz vor Ort einige Erfahrungen sammeln können. Wenn ich unsere aktuellen Projekte mit den ersten vergleiche, muss ich sagen, dass vieles einfacher geworden ist und viele administrative Hürden abgebaut wurden. Ich würde aber auch weiter neuen Investoren raten, im Vorfeld einen verlässlichen Berater zu fi nden und den Kontakt zu den deutschen Unternehmen und den Kammern vor Ort zu suchen. Im Bereich des Tagesgeschäftes sollte man sich darauf vorbereiten, dass es noch immer zu kurzfristigen Änderungen bestehender Regelungen oder Vorschriften kommen kann. Natürlich würde ich mir hier von den vietnamesischen Behörden ab und zu eine bessere Information im Vorfeld wünschen – dies gilt aber zugegebenermaßen nicht nur für Vietnam.