Colombo auf dem Weg zur Smart City

Sri Lankas Hauptstadt will sich fit machen für das 21. Jahrhundert. Die Regierung hat dafür das Megapolis-Projekt ausgerufen. Dabei verlässt sie sich auch auf deutsches Know-how.


Sri Lankas Hauptstadt Colombo ist seit Jahrhunderten ein Knotenpunkt des Seehandels im Indischen Ozean. Die Insel bietet im Westen einen natürlichen Hafen, den etwa die Portugiesen und später die Briten im 16. und 17. Jahrhundert kontinuierlich ausgebaut haben. So finden sich im Stadtzentrum heute neben britischen Kolonialbauten moderne Büro-, Apartment- und Bankgebäude wie zum Beispiel das World Trade Center Colombo. Doch das moderne World Trade Center ist nur eine Seite der Medaille. Seit Jahren verzeichnet die für südasiatische Verhältnisse kleine Stadt ein schnelles Wachstum. Die Stadt hat gerade einmal 700.000 Einwohner. Wenn man die Vorstädte mitrechnet, sind es zwei Millionen. Doch die Infrastruktur ist überlastet. Staus und Stromausfälle sind an der Tagesordnung. Im Osten der Stadt sind Slums entstanden, in denen rund 70.000 Menschen leben.

Chaotisch und versteckt

Colombo ist eine typische südasiatische Stadt. Die Verstädterung verläuft dort oft chaotisch und versteckt, wie es in einem aktuellen Bericht der Weltbank zum Thema Urbanisierung in Südasien heißt. Chaotisches Wachstum zeigt sich vor allem durch die Existenz von Slums und die Zersiedelung der Stadtränder. Versteckt ist Urbanisierung, wenn die Verwaltungen nur unzureichende Statistiken und Kenntnisse über die wilden Siedlungen am Stadtrand hat. Niemand weiß genau, wie viele Menschen in den Slums wohnen und welcher Bedarf an sanitären Einrichtungen, Trinkwasser oder Elektrizität besteht. Hinzu kommt das tropische Klima mit immer wieder auftretenden Taifunen und Überschwemmungen, die die Bewohner regelmäßig auf die Probe stellen.

„Chaotisches Wachstum zeigt sich vor allem durch die Existenz von Slums und die Zersiedelung der Stadtränder.“

Auf dem Index der attraktivsten Städte der Welt, den die Economist Intelligence Unit jährlich erstellt, liegt Colombo 2015 im internationalen Vergleich auf Rang 127 von insgesamt 140 Städten. Das Ranking wird anhand folgender Kriterien erstellt: Stabilität, Gesundheitswesen, Kultur, Umwelt, Bildung und Infrastruktur. Nur Bangladeschs Hautstadt Dhaka schneidet im regionalen Vergleich schlechter ab (Platz 139 von 140).

Megapolis-Projekt

Doch Columbo habe viel Potenzial, so ein Sprecher der Weltbank im Interview mit der Deutschen Welle. Die Hafenstadt liege geostrategisch günstig auf halber Strecke zwischen Europa, Afrika und Ostasien. Sie könnte zu einem internationalen Wirtschaftsknotenpunkt werden. Doch dafür müsse sich die Stadt modernisieren. „Sri Lankas zukünftiger Erfolg auf dem Weg zu einem Land mit mittlerem Einkommen hängt zu einem großen Teil davon ab, wie der Großraum Colombo gemanagt und aufgestellt wird. Nicht nur innerhalb Sri Lankas, sondern regional und global”, so der Weltbanksprecher. Sri Lankas Hauptstadt stellt sich der Herausforderung und hat dafür 2015 das Megapolis-Projekt ins Leben gerufen.

40 Milliarden US-Dollar will die Regierung unter dem Präsidenten Maithripala Sirisena and Premierminister Ranil Wickremesinghe investieren, um die Hauptstadt und die umliegenden Distrikte in den nächsten 15 Jahren zu modernisieren. Die Stadt soll grüner werden, es soll mehr Fußgängerzonen und Parks geben, das historische Erbe soll hervorgehoben und den Slumbewohnern in der Peripherie mit „Sozialwohnungen” geholfen werden. Außerdem hofft die Regierung, ausländische Investitionen und Unternehmen anzulocken.

Vorausschauende Planung

Bei der Planung des Megaprojekts ist unter anderem der deutsche Technologiekonzern Siemens beteiligt. Das Unternehmen verfügt seit 2012 über ein eigenes „Zentrum für nachhaltige Stadtentwicklung”, das in London ansässig ist. Siemens hat Indien bei der von Premierminister Modi ausgerufenen Aktion beraten, 100 indische Städte zu modernisieren und für die Bürger attraktiver zu gestalten. Beste Voraussetzungen also für eine Tätigkeit in Sri Lanka, so Martin Powell, Direktor des Siemens-Zentrums, im Gespräch mit der Deutschen Welle. „Städteplaner bei Projekten wie Megapolis müssen verstehen, dass ihre Entscheidungen rund um Infrastrukturinvestitionen weitreichende Folgen haben, und dass sie die Entscheidungen so früh wie möglich treffen müssen.” Alles, was frühzeitig geplant und entschieden werde, müsse später nicht langwierig und teuer korrigiert werden.

Für die sogenannte technologische Masterplanung hat Siemens eine eigene Software entwickelt, mit der verschiedene Optionen und deren Folgen gegeneinander abgewogen werden können. „Wir können zum Beispiel vorhersagen, wie viel eine Umweltzone (Low Emission Zone) zur Verbesserung der Luftqualität beiträgt.” Zugleich ließen sich AussaAussagen über Kosten und Arbeitsaufwand treffen oder darüber, inwiefern für ein bestimmtes Projekt unpopuläre politische Entscheidungen nötig seien.

„Die Stadt braucht eine widerstandsfähige Infrastruktur und ein leistungsfähiges Verkehrssystem.“

 

Skaleneffekt und Zuverlässigkeit

Besonders effektiv wird derartige Planung für Stadtviertel ab vier- oder fünftausend Wohnungen sowie Geschäften, Banken, Stromversorgung und allem, was dazugehört, erklärt Powell. Dann setzt nämlich der sogenannte Skaleneffekt ein. Im Grunde so eine Art Mengenrabatt. Wer zum Beispiel für vier Gebäude eine dezentrale Stromversorgung einrichtet, muss viel Geld in die Hand nehmen und kann dabei nur wenig sparen. Wer aber für 4.000 Häuser eine dezentrale Stromversorgung einrichtet, muss nur unwesentlich mehr investieren, bekommt dafür aber viel mehr zurück. „Dann lohnt sich die Planung richtig.” Zwei Dinge sind für Colombo von höchster Priorität, so Powell. „Die Stadt braucht eine widerstandsfähige Infrastruktur und ein leistungsfähiges Verkehrssystem.” Widerstandsfähigkeit bedeutet etwa bei der kritischen Infrastruktur wie der Stromversorgung, dass sie auch unter extremen Wetterbedingungen wie Taifunen und Überflutungen weiterhin funktioniert.

Nur so könne die Stadt Unternehmen gewinnen, die sichergestellt wissen wollen, dass sie ohne Unterbrechung arbeiten können. Um das Transportsystem zu entlasten, sieht Powell keine Alternative zu einem Bahnsystem, das den Norden mit dem Süden der Stadt verbindet. Die Vorteile für Colombo: Durch eine sorgfältige Planung im Vorfeld lassen sich kostspielige und aufwändige Nachbesserungen vermeiden. Auch Siemens erhofft sich den ein oder anderen Folgeauftrag, so Powell: „Sobald die verschiedenen Projekte ausgeschrieben werden, werden wir uns selbstverständlich auf diejenigen bewerben, bei denen wir uns Chancen ausrechnen.”

 

 

 

 

 

 

Dr. Rodion Ebbighausen

Dr. Rodion Ebbighausen ist als freier Journalist für die Deutsche Welle tätig.

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