„Das asiatische Wachstum gemeinsam auf einen nachhaltigen Pfad führen“
Der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Hans-Georg Frey, OAV-Vorsitzender und Vorstandsvorsitzender der Jungheinrich AG, sprechen mit uns über Megatrends in Asien, positive Entwicklungen in Indien sowie ASEAN und chinesische Investitionen in Deutschland.
Herr Bundesminister, Herr Frey, welches sind für Sie die zentralen Zukunftsthemen in Asien und wo sehen Sie in diesem Zusammenhang die größten Potenziale für eine weitere Vertiefung der deutsch-asiatischen Zusammenarbeit?
Herr Frey: Asiens Bedeutung für die Weltwirtschaft ist wichtiger denn je – insbesondere China, Indien und die ASEAN-Staaten werden zunehmend entscheidende Handelspartner europäischer Unternehmen. Die zentrale Herausforderung in großen Teilen Asiens besteht nun darin, das bisherige stürmische Wachstum in nachhaltige und zukunftsfeste Bahnen zu lenken. Dies umfasst ökonomische, ökologische und soziale Aspekte gleichermaßen. Hier besteht angesichts von Heraus-
forderungen wie den massiven Umweltbelastungen sowie verschiedenen Infrastrukturproblemen in den Ballungsräumen hoher Handlungsdruck. Wir sehen in unserer Verbandsarbeit, dass intensive Anstrengungen im Hinblick auf innovative und praktikable Lösungen getätigt werden. Für die deutschen Unternehmen ist dies eine vorteilhafte Entwicklung, da sie mit ihren modernen, effizienten und ressourcensparenden Produkten und Technologien genau diejenigen Güter anbieten, die für diesen weiteren Modernisierungsprozess benötigt werden. Ein weiterer Trend ist die Intensivierung von Forschung und Entwicklung, wobei gezielt versucht wird, aus den westlichen Erfahrungen zu lernen und somit bestimmte Entwicklungsschritte zu überspringen. Asiens Hunger nach Digitalisierung, Automatisierung und Vernetz-
ung wächst zudem stetig. Weitere Anknüpfungspunkte ergeben sich zudem beim Thema demographischer Wandel und den sich wandelnden Konsumgewohnheiten der neuen Mittelschichten. Ein Megatrend wird zudem die Verbesserung der Bildungs- und Ausbildungsangebote sein.
Bundesminister Gabriel: Digitalisierung ist das Zukunftsthema der nächsten Jahre und das nicht nur in Asien, sondern auch weltweit. Die Potenziale sind groß, ebenso aber auch die Herausforderungen. Mit der Digitalisierung werden sich die globalen Wertschöpfungsketten ändern. Wenn wir die Umsetzung klug und vorausschauend gestalten, dann können gerade auch Schwellen- und Entwicklungsländer an diesem Prozess teilhaben. In China könnte die Digitalisierung den dringend notwendigen Anschub für strukturellen Wandel geben und das Ziel der chinesischen Regierung nach einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung unterstützen. Das ist aber an einige Voraussetzungen geknüpft. Wir brauchen gemeisame internationale Normen und Standards (beispielsweise: einheitliche Schnittstellen für digitale Kommunikation), einheitliche oder zumindest miteinander kompatible IT-Sicherheitslösungen und einen klaren Rechtsrahmen für Unternehmen. Daher haben wir im Rahmen der Plattform Industrie 4.0 wichtige Kooperationsabkommen mit China im Juli 2015 und mit Japan im April 2016 geschlossen. Auch wollen wir im Rahmen unserer anstehen-
den G20-Präsidentschaft einen Schwerpunkt auf das Thema Digitalisierung setzen.
Gemeinsam das digitale Zeitalter begehen
Das Wachstum in Asien wird zunehmend durch eine wachsende innerasiatische Nachfrage und den Binnenkonsum in den einzelnen Ländern generiert. Erleben wir gerade einen Bedeutungsverlust der westlichen Industriestaaten?
Herr Frey: So weit würde ich nicht gehen. Die westlichen Industriestaaten werden sowohl angebots- als auch nachfrageseitig noch eine lange Zeit eine zentrale Rolle spielen. Aber allein aufgrund der schieren Größe und der Anzahl der dort lebenden Menschen werden wir in den kommenden Jahren eine stetig wachsende Bedeutung Asiens in der Welt sehen. Die zunehmende globale Verflechtung führt dazu, dass deutsche Unternehmen den innerasiatischen Markt auch zunehmend vor Ort nicht nur mit technologisch führenden, sondern auch mit länderspezifischen Produkten bedienen müssen, um erfolgreich zu sein. Asien wird die wirtschaftliche Entwicklung der kommenden Jahre maßgeblich bestimmen. Europa muss sich besonders fit für die Zukunft machen, um die darin liegenden Chancen zu nutzen.
Bundesminister Gabriel: Die Bedeutung der westlichen Industriestaaten gründet nicht allein auf wirtschaftlichen Aspekten, sondern auch auf gemeinsamen politischen Werten und Vorstellungen. Dies ist ein wichtiger Aspekt, um beständige Partnerschaften aufzubauen, die über rein wirtschaftliche Interessen hinausgehen. Darüber hinaus liegt es aber auch an uns selbst, welche Rolle wir in der Weltwirtschaft künftig spielen werden. Durch kluge Politik, die v.a. Bildung, Forschung und Entwicklung fördert sowie Zukunftsbereiche unterstützt, müssen wir dafür sorgen, dass die deutsche Wirtschaft auch zukünftig global wettbewerbsfähig und technologisch führend bleibt. Aber es ist richtig: Die Staaten in der Region Asien-Pazifik haben zu Beginn des sogenannten „asiatischen Jahrhunderts“ mit enormem Wachstum ökonomische Meilensteine gesetzt. Die Region muss diese Entwicklung fortsetzen und Nachhaltigkeit in der wirtschaftlichen, aber auch der weiteren politischen Entwicklung innerasiatisch und global erreichen.
Wie nachhaltig ist aus Ihrer Sicht das neue chinesische Wachstumsmodell? Welche Auswirkungen wird das verlangsamte Wachstum auf die deutsche Wirtschaft haben? Und was kann Deutschland tun, um China bei dem angestrebten Strukturwandel zu unterstützen?
Herr Frey: Seit Jahren sind Chinas Wachstumsraten ein vermeintlicher Garant für den Erfolg von Investitionen deutscher und europäischer Unternehmen im Reich der Mitte. Eines war seit jeher klar: Der chinesische Boom kann nicht unendlich andauern. Chinas Wirtschaft musste zwangsläufig in der globalen Realität ankommen. Jetzt, da der Prozess der „neuen Normalität“ sichtbar wird, scheint für manche Kommentatoren das vermeintliche Ende mehr als nah. Wer aber bei einem Wirtschaftswachstum von über 6 % in übertriebenen Pessimismus verfällt, schätzt die Lage unzureichend ein. Die Zahlen sind in Wirklichkeit besser als das relative Wachstum vermuten lässt. Denn obwohl dieses 2015 niedriger ausfiel als in den vergangenen 25 Jahren, wächst Chinas reales absolutes Bruttoinlandsprodukt in ähnlicher Größenordnung wie in den Jahren zuvor. Daran können die deutschen Unternehmen auch weiterhin partizipieren, wobei Entwicklung und Produktion vor Ort in vielen Fällen vorteilhaft sind.
Bundesminister Gabriel: Ich teile diesen Standpunkt. Derzeit gehen wir weiter von einer graduellen Wachstumsverlangsamung in China aus und nicht von einer „harten Landung“. Prognosen sind allerdings schwierig. Die chinesische Politik hat sich hohe Ziele gesetzt, um nachhaltiges Wachstum zu generieren. Andererseits scheint der Reformwille weit weniger stark ausgeprägt zu sein, wenn man sich den aktuellen Fünfjahrplan ansieht. Notwendige Reformen hin zu mehr Markt und Wettbewerb in China werden nicht umgesetzt. Für die deutsche Wirtschaft gilt weiterhin: Die deutsche Wirtschaft ist gut aufgestellt, auch wenn mit dem Wachstumsrückgang in China die deutschen nominalen Exporte nach China in 2015 um 4,0 % gegenüber 2014 gefallen sind. Die deutsche Exportwirtschaft ist auch weiterhin viel stärker auf den europäischen Heimatmarkt fokussiert. 2012 gingen ca. 69,0 % der Exporte nach Europa, 5,6 % nach China.
Diese Quote ist 2015 auf ca. 6,0 % gestiegen. Weit mehr Gedanken müssen wir uns aber um das Thema Marktanteile durch industrielle Weiterentwicklung machen. In der Vergangenheit war der Handel mit China durch starke Komplementarität geprägt. Bei kontinuierlicher Technologisierung in China wird sich der Trend zugunsten eines intraindustriellen Handels verschieben. Daher ist es von besonderer Bedeutung, dass unsere Industrie innovativ bleibt und wir die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Gleichzeitig müssen wir darauf drängen, dass China seine Märkte weiter öffnet und die Diskriminierung ausländischer Unternehmen abbaut.
Deutsch-chinesicher Handel im Wandel
Indiens Premierminister Narendra Modi ist seit nunmehr zweieinhalb Jahren im Amt. Die anfänglichen Erwartungen an seinen Reformwillen waren hoch. Wie bewerten Sie die zwischenzeitlichen Ergebnisse? Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt? Mit welchen Ansätzen/Initiativen könnten die deutsch-indischen Wirtschaftsbeziehungen forciert werden?
Bundesminister Gabriel: Die Regierung unter Modi hat erste wichtige Impulse für einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung gegeben. Dies spiegelt sich auch bei den deutschen Exporten nach Indien im vergangenen Jahr wieder. 2015 gab es ein Plus von 9,6 %. Um nachhaltiges Wachstum zu erreichen, sind jedoch weitere Schritte notwendig, wie vor allem der Abbau von Marktzugangsschranken und nicht-tarifären Handelshemmnissen, gleichberechtigter Zugang für ausländische Unternehmen zum öffentlichen Beschaffungsmarkt
sowie eine Marktöffnung für ausländische Investitionen. Diese könnte dann auch den notwendigen Schub geben, um Ausbildungs- und Arbeitsplätze und damit eine Zukunftsperspektive für die junge Bevölkerung zu schaffen. Erste kleinere Fortschritte gibt es auch bereits. So konnten durch den Aufbau des sogenannten Fast Track bürokratische Hemmnisse für Unternehmen abgebaut werden. Das erleichtert die Ansiedlung deutscher Unternehmen deutlich. Insgesamt müssen aber weitere Reformschritte folgen.
Herr Frey: Die von Modi angekündigten Reformen wurden für uns bislang noch nicht ausreichend durchgeführt bzw. befinden sich gerade erst am Anfang der Umsetzung. Mit der Verabschiedung einer einheitlichen Mehrwertsteuer (Goods and Services Tax) ist es Modi Anfang August gelungen, eine wegweisende Reform einzuleiten. Auch wenn mit der Einführung der neuen Steuer frühestens im Frühjahr 2017 gerechnet werden kann, ist dies für viele unserer Mitgliedsunternehmen ein wichtiger Schritt nach vorne. Diese Reform war eine zentrale Forderung des OAV. Die Wachstumsraten von über 7 % in den vergangenen zwei Jahren und eine Inflationsrate von nur noch 5 % sind Hinweis für Modis richtige Entscheidungen und wirtschaftspolitischen Impulse. Doch diese gute Entwicklung kann nur mit weiteren Reformen fortgeführt werden.
Die ASEAN-Region scheint sich als dritte Wachstumsregion in Asien zu etablieren. Zugleich ist die Region von einer großen Vielfalt geprägt. Wie lässt sich mit dieser Vielfalt konstruktiv umgehen? In welchen Bereichen haben Deutschland und seine Unternehmen gute Chancen, an der Dynamik in der Region teilzuhaben?
Herr Frey: Die wachsende Entwicklung der ASEAN-Staaten hin zu attraktiven Wirtschaftsstandorten sehen wir sehr positiv. Sicherlich ist ihre enorme Vielfalt und Unterschiedlichkeit eine Herausforderung für viele Firmen. Aber dies sollte Motivation sein, sich sehr intensiv mit den jeweiligen Ländern und ihren Spezifika zu beschäftigen. Zudem sollte man diese Vielfalt als Chance begreifen, die Stärken der verschiedenen Märkte strategisch zu nutzen. Vorteilhaft ist, dass die ASEAN-Staaten in den relevanten Geschäftsfeldern – Beschaffung, Fertigung, Absatz – interessante Potenziale aufweisen. Hinzu kommt, dass mit der ASEAN Economic Community die regionale Integration ein neues Stadium erreicht hat. Zwar ist man von einem Binnenmarkt noch weit entfernt, aber auch die Europäische Union ist nicht über Nacht zusammengewachsen und die Vorteile wie der gemeinsame Binnenmarkt oder die gemeinsame Währung sind Entwicklungen von Jahrzehnten. Strategisch klug ist es, sich bereits jetzt zu Beginn des fortschreitenden Prozesses in einem passenden ASEAN Mitgliedsland anzusiedeln und somit frühzeitig vor Ort präsent zu sein. Dies gilt insbesondere für den Marktzugang und relevante Produktionsvorteile vor dem Hintergrund des fortschreitendenden Zusammenwachsens.
„Gute Entwicklung nur durch weitere Reformen.“
Bundesminister Gabriel: Die ASEAN Region ist für die deutsche Wirtschaft natürlich ein ganz wichtiges Wachstumszentrum. Nach China ist der ASEAN-Raum der zweitgrößte Handelspartner Deutschlands in Asien. Und ich gehe fest davon aus, dass die Region mit dem Start der ASEAN Economic Community noch weiter an Bedeutung gewinnen wird, auch wenn es noch längere Zeit dauern wird, bis hier ein wirklicher Binnenmarkt entsteht. Aber auch in ihrer Heterogenität bietet die Region Chancen für deutsche Unternehmen, zum Beispiel beim Aufbau von Wertschöpfungsketten in der Region. Aus europäischer Perspektive sollte unser Ziel eine stärkere Vernetzung zwischen der EU und den ASEAN-Staaten sein. Dies wäre auch aus strategischer Sicht ein wichtiges Ziel. Nach Einschätzung der OECD hängen in der EU von den ASEANExporten ca. 600.000 Jobs ab.
Während Asien sich handelspolitisch immer stärker vernetzt, herrscht bei den europäischen Projekten beinahe Stillstand. Sind wir überhaupt noch in der Lage, umfassende Handelsabkommen abzuschließen?
Bundesminister Gabriel: Nun, hier geht es ja nicht um Quantität, sondern um Qualität. Ich teile den Kurs der EUKommission, einen hohen Maßstab bei den Freihandelsabkommen anzusetzen. Am Beispiel Korea zeigt sich, dass sich dies gelohnt hat. Das Abkommen hat zu Verbesserungen beim gegenseitigen Marktzugang und damit zur Belebung der Handelsbeziehungen entscheidend beigetragen. Ebenso begrüßen wir die erzielten Ergebnisse mit Vietnam und Singapur. Bei den noch andauernden Verhandlungen mit Japan verfolgen wir ein hohes Anspruchsniveau im Sinne der deutschen Industrie. Unser Ziel ist ein Benchmark-Abkommen, das eine umfassende Marktöffnung in Japan durch vollständigen Abbau von Zöllen und parallel dazu der nicht-tarifären Handelshemmnisse sowie die Öffnung der japanischen Beschaffungsmärkte erreicht. Ein weiteres Kernanliegen bleibt für uns auch das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien. Ich bin überzeugt, dass die Marktöffnung, die ein Freihandelsabkommen mit sich bringen würde, starke Wachstumsimpulse setzen könnte. Es böte großes Potential für beide Seiten, sowohl für die Intensivierung des Handels als auch für mehr Investitionen. Gleiches gilt für die bereits angelaufenen Verhandlungen mit den Philippinen und die künftigen Verhandlungen mit Indonesien.
ASEAN: „Couragiert die Chancen ergreifen!“
Viele Innovationen entstehen heute in Asien. Überdies erscheinen die Asiaten als technologieaffiner und innovationsfreudiger als die Europäer. Wie stellen wir sicher, dass Deutschland auch in Zukunft technologisch mithalten kann? Was bedeutet diese Verschiebung für die Zusammenarbeit mit asiatischen Partnern? Auf welche Weise können deutsche Unternehmen erreichen, dass sie Anschluss an die sich wandelnden Konsumwünsche in Asien halten können?
Bundesminister Gabriel: Bis eine Innovation nicht nur Marktreife erreicht hat, sondern auch dazu geeignet ist Beschäftigung und Lohn zu sichern, ist es oft ein langer Weg. Gerade im Bereich der Hochtechnologie, aber auch im Bereich Chemie und Pharma reichen Kreativität und Innovationsfreude heute alleine nicht aus, um nachhaltige Innovationen zu schaffen. Vielmehr bedarf es stabiler und guter Rahmenbedingungen für Innovation und Investition. Deutschland hat eine gute Ausgangsbasis dafür: Wir haben ein funktionierendes Rechtssys tem und darüber hinaus Förderprogramme, die nah an der Wirtschaft fortentwickelt werden, sei es im Bereich Digitalisierung oder auch im Kontext der Energiewende. Es gibt aber auch eine Vielzahl von weiteren Faktoren: Die Ausbildung in Deutschland spornt von klein auf zu Kreativität und Innovation an. Unsere Unternehmen sind aufgrund der freien Wettbewerbssituation von sich aus interessiert, sich im Markt zukunftsfähig aufzustellen. Sie investieren viel in Forschung und Entwicklung, Aus- und Fortbildung sowie in eine Unternehmenskultur, die Kreativität und Teamdenken fördert.
Herr Frey: Die Innovationskraft in Asien ist überwältigend und sicherlich ist man in einigen asiatischen Ländern Deutschland in Feldern wie der Digitalisierung bereits voraus. Tatsächlich müssen wir schauen, dass wir den Anschluss nicht verpassen, und müssen dafür hierzulande die Weichen stellen. Europas Chancen liegen insbesondere in nachhaltigen Zukunftstechnologien und -produkten. Wichtig dafür sind u.a. arbeitspolitische Reformen und steigende Investitionen in Innovation & Forschung. Dies zählt gleichermaßen für das Engagement vor Ort in Asien. Zum einem gilt es, das hohe Potential der vielen jungen, gut ausgebildeten Menschen zu heben, zum anderen auch die Investitionen in Innovation & Forschung vor Ort zu tätigen. Nur wer auch vor Ort entschlossen investiert, nutzt die sich bietenden Chancen klug.
„Deutschland wird innovativ und wettbewerbsfähig bleiben“
Im Jahr 2015 haben chinesische Firmen an die 40 deutsche Firmen übernommen. Sollte aus Ihrer Sicht das Engagement ausländischer Unternehmen stärker als bisher reglementiert werden?
Herr Frey: Auch wenn die chinesischen Investitionen in Deutschland deutlich zunehmen, muss man gleichzeitig sehen, dass diese im Vergleich zu den deutschen Akquisitionen in Asien weiterhin verhältnismäßig gering sind. Befürchtungen einer „Aushöhlung“ deutscher Firmen nach Übernahmen durch chinesische Investoren blieben bisher unbegründet. Generell gilt aus der Sicht der Wirtschaft: Wer ein levelplaying-field fordert, sollte auch im eigenen Land für die entsprechenden Bedingungen sorgen. Wir gehen fest davon aus, dass im Laufe der Zeit der Marktzugang für deutsche Firmen in China sich weiterhin verbessern wird. Dies muss unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit allerdings auch sein. Die bestehenden Reglementierungen für Investitionen in Deutschland wie in den Bereichen „strategische Infrastruktur“ sowie „öffentliche Sicherheit“ sind m.E. ausreichend.
Bundesminister Gabriel: Deutschland ist ein offener Investitionsstandort mit offenen Märkten und freiem Wettbewerb und das soll auch in Zukunft so bleiben. Auf der anderen Seite habe ich als Wirtschaftsminister natürlich ein Interesse daran, dass die gleiche Offenheit, die für ausländische Investoren in Deutschland besteht, auch umgekehrt gegenüber deutschen Unternehmen sichergestellt ist. Solange China „nur“ als Werkbank der Welt gesehen wurde, konnten sich viele Unternehmen mit den Gegebenheiten arrangieren, weil das überdurchschnittliche Wachstum in China im Gesamtpaket dann doch lukrativ war. Beim derzeitigen technologischen Fortschritt und den sinkenden Wachstumsraten in China werden die restriktiven Rahmenbedingungen jedoch weitaus kritischer gesehen; die Forderungen der deutschen Wirtschaft nach Reziprozität für Investionen in China werden berechtigterweise lauter. Die Bundesregierung ist zu diesem Thema kontinuierlich im Gespräch mit der chinesischen Regierung. Wir werben stetig für Marktöffnung und Herstellung eines level-playing-field für ausländische und chinesische Unternehmen in China. Die chinesische Regierung zeigt im aktuellen Fünfjahrplan jedoch wenig Reformwillen. Vor diesem Hintergrund diskutieren wir insbesondere auch Möglichkeiten, wie wir auf dieses Ungleichgewicht reagieren können. Eines kann ich versichern: Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, dass Deutschland auch in Zukunft ein attraktiver Investitions- und Innovationsstandort bleibt.