Vier Wahlen in Asien-Pazifik: Siege für die Amtsinhaber
Superwahljahre gibt es auch auf kontinentaler Ebene: Mit Indien und Indonesien haben das zweit- und drittbevölkerungsreichste Land in Asien-Pazifik ihre politische Führung bestimmt. Hinzu kamen das Schwellenland Thailand und der Industrieund Rohstoffstaat Australien. Dass alle Regierungen in den Ämtern verblieben, ist – neben teils unfairen Wahlbedingungen – vor allem Ausdruck einer starken Orientierung am Status quo angesichts vielfältiger Herausforderungen.
Scharia-konforme Wirtschaft in Indonesien
Weitgehend wie erwartet fiel das Resultat in Indonesien aus, wo der Amtsinhaber und einstige Shootingstar Joko Widodo alias „Jokowi“ die Bilanz seiner ersten fünf Jahre zu verteidigen hatte. Auch wenn diese eher gemischt ausfiel und die versprochenen 7 % Wirtschaftswachstum nicht erreicht wurden, verband sich nur mit ihm die Perspektive einer weiteren Öffnung des Landes. Überschattet wurde der klare Sieg Jokowis von 55,5 % zu 44,5 % der Stimmen gegen seinen erneuten Gegner Prabowo Subianto durch teils gewalttätige Reaktionen von dessen Anhängern nach Verkündung des Ergebnisses. Dass diese Proteste im Schulterschluss mit islamistischen Gruppen stattfanden, wirft ein Schlaglicht auf die herausfordernde Sicherheitslage im Land. Denn die nicht zuletzt politisch motivierte zugespitzte Betonung islamischer Identität hat auch zu einem erneuten Aufwind dschihadistischer Milieus geführt. Indonesiens Sicherheitskräfte haben erprobte Erfahrungen bei der effektiven Terrorismus-Bekämpfung, aber das verstärkt polarisierte politische Klima macht diese Aufgabe künftig schwieriger. Positiv stimmt derweil, dass die Wahl selbst – ein logistischer Kraftakt – bei einer hohen Beteiligung von 82 % insgesamt regelkonform ablief. Jokowi hat auf den Druck aus dem islamischen Lager reagiert, indem er einige von dessen Positionen übernommen hat. Dafür wurde er teils stark kritisiert – nüchtern betrachtet, handelte es sich wohl um einen nötigen Kompromiss. Ökonomisch relevant dürfte sich dieser Schwenk primär bei der Etablierung einer „Scharia-konformen Wirtschaft“ auswirken: Jokowi hat einen Masterplan vorgelegt, der vorsieht, dass Indonesien bis 2024 zu einem führenden Anbieter von „halal“ produzierten Waren und Dienstleistungen wird. Im Fokus stehen dabei speziell Nahrungsmittel, Modebekleidung und Finanzdienste. In seiner im Oktober beginnenden zweiten und letzten Amtszeit wird er zudem seinen Entwicklungsansatz des großflächigen Ausbaus der Infrastruktur in Form von Flughäfen, Straßen, Häfen und Kraftwerken fortführen und intensivieren. Besonders bessere Transportwege sind akut notwenig, um den Gesamtarchipel entwickeln zu können. Hierfür wurde die Investitionssumme von 400 Mrd. US-Dollar für fünf Jahre genannt. Jedoch bestehen Zweifel, dass diese Mittel so tatsächlich fließen werden. Das Gros der Gelder wird die Regierung selbst aufbringen müssen und die budgetären Spielräume sind begrenzt. Angekündigt wurde ferner ein „Neubau“ der Hauptstadt Jakarta, wobei es eher um eine Verlagerung der Regierung inkl. dazugehöriger Behörden nach malaysischem Vorbild geht.
Reformmandat in Indien
Eine zweite fünfjährige Amtsperiode konnte sich auch Narendra Modi sichern. Und dies entgegen konträrer Prognosen internationaler Medien, bei denen augenscheinlich Wunschdenken im Spiel war. Trotz bisher eher mäßiger ökonomischer Erfolge und eklatanter Defizite auf dem Arbeitsmarkt konnte Modis hindu-nationalistische Bharatiya Janata Party (BJP) einen Erdrutschsieg erzielen. Von den 542 Sitzen in der Lok Sabha, dem indischen Unterhaus, entfielen 303 auf die BJP, sodass die Partner in der National Democratic Alliance (NDA) nicht mehr für die absolute Mehrheit benötigt werden. Deren Stimmen eingerechnet, kommt Modi auf 353 Sitze. Die Sitzmajorität ist infolge der hohen Heterogenität Indiens mit vielen Regionalparteien sehr selten. Der sozialliberalen Kongresspartei mit Nehru-Urenkel Rahul Gandhi an der Spitze gelang es nicht, sich von der historischen Niederlage 2014 zu erholen. Während Gandhi sich trotz bodenständigen Auftretens nicht des Makels der Herkunft aus einer politischen Dynastie entledigen konnte, profitierte Modi weiter von seinem volksnahen Hintergrund – sowie von einer überaus professionellen Wahlkampfführung.
Zupass kam ihm auch, dass die Inder mehrheitlich offensichtlich einen strong leader mit markigen Ansagen wünschen. „My-country-first“-Ansätze scheinen weltweit im Trend zu liegen, wobei im Falle von Modis BJP wohl von einem „Hindu-first“ gesprochen werden muss. Man darf davon ausgehen, dass das forschere weltpolitische Auftreten des Nachbarn China die Erwartung erhöht hat, auch die eigene Nation konsequent in den Vordergrund zu stellen.
Wirtschaftlich gesehen, verfügt Indiens Premier nun über das klare Mandat, den Reformprozess deutlich zu forcieren und dies auch zu müssen. Die komfortable Mehrheit ermöglicht ihm, weniger Kompromisse machen zu müssen. Die Barrieren, die einer Freisetzung der fast schon legendären indischen Potenziale im Weg stehen, sind weithin bekannt. Anders als in Modis erster Amtszeit, als große Industriepläne geschmiedet wurden, dürfte nun ein Schwerpunkt auf kleinteiligeren Reformen liegen, welche insbesondere die Arbeit der Regierungsagenturen effektiver machen. Gelänge ein signifikantes Zurückstutzen der überbordenden Bürokratie, wäre schon viel gewonnen. Damit die vielzitierte „demografische Dividende“ nicht zum Mühlstein wird, wird sich die Regierung prioritär um die Förderung arbeitsintensiver Sektoren wie Bau und Textilien bemühen müssen.
Stagnation in Thailand
Anders als die Indonesier und Inder kamen die Thailänder nicht in den Genuss einer freien und fairen Wahl. Zumindest fand erstmals seit dem Militärputsch im Mai 2014 wieder eine formelle Stimmabgabe statt. Allerdings hat die Verfassung von 2016, die eigens konzipiert wurde, um den Militäreinfluss festzuschreiben, eine echte Wiedergabe des Mehrheitswillens verhindert. Der alte Premier ist mit Prayuth Chan-ocha daher auch der neue. Obwohl die Prayuth-Partei auf nur 115 von 500 Sitzen im Unterhaus kam, ermöglichten diverse Koalitionspartner sowie die fast 250 Sitze des komplett vom Militär bestellten Senats die nötige Mehrheit von 376 der 750 Stimmen in der Nationalversammlung. Im Regierungsalltag sind indes nur die Kräfteverhältnisse im Unterhaus relevant. An der scharfen politischen Spaltung hat sich nichts geändert. Auch das Ziel, sein Wirken mit demokratischer Legitimität zu versehen, hat Prayuth nicht erreicht.
Die politische Stagnation wird sich auch wirtschaftlich bemerkbar machen. Zwar hat die letzte Administration eine Reihe infrastruktureller und industriepolitischer Großkampagnen lanciert, die schon wegen der unterlegten Milliarden-Mittel größere Effekte entfalten werden. Unter ihnen sticht der Eastern Economic Corridor (EEC) hervor, eine große Sonderwirtschaftszone mit sehr attraktiven Anreizen südöstlich von Bangkok. Allerdings bleibt das Problem, dass Technokraten nur begrenzt genuine unternehmerische Impulse erzeugen können. Beim EEC dürfte der Fachkräftemangel tendenziell begrenzend wirken. Überdies wird die dünne Unterhausmehrheit der Regierungskoalition aus 19 Parteien die Zurückhaltung bei den Investoren weiter verlängern. Profitieren könnte Thailand hingegen mittelfristig von Investitionsumlenkungen infolge des US-China-Handelsstreits.
Australisches Zaudern
Eine Überraschung gab es in Australien, wo eine Wahlpflicht besteht. Ein Sieg der oppositionellen sozialdemokratischen Labor Party galt schon als ausgemachte Sache. Als wahlentscheidend gilt im Nachhinein, dass die von Labor in Aussicht gestellte Fundamentalwende in der Klimaund Migrationspolitik letztlich doch zu viele Wähler abgeschreckt hat. Wobei auch der starke Einfluss der Murdoch-Presse auf die australische Politik, in der schon immer mit harten Bandagen agiert wurde, in Rechnung zu stellen ist. Speziell der Vorschlag einer CO2-Steuer und eine mit deutlichen Arbeitsplatzverlusten verbundene Beschneidung der enorm wichtigen Kohleindustrie lagen offenbar außerhalb des Vermittelbaren. Hinzu kam die zunehmend kritische Haltung der Regierungskoalition gegenüber dem nach Einfluss strebenden China, welche in der Bevölkerung Anklang findet. So kann sich Scott Morrison mit seiner liberal- konservativen Koalition glücklich schätzen und in eine zweite Amtszeit gehen. Auch wenn Australiens Wirtschaft, die – trotz schwächelnder Konjunktur in China – schon seit einer kleinen Ewigkeit auf Wachstumskurs ist, weiter positiv in die Zukunft schauen kann, ist auch hier Veränderungsdruck unübersehbar. Die zunehmenden Dürren und Überschwemmungen zeigen, dass der hohe CO2-Ausstoß dringend reduziert und erneuerbare Energien gefördert werden müssen.