„Klares Bekenntnis zum freien und fairen Handel“
Umbruchzeiten erfordern ein Überdenken der eigenen Standpunkte und Ziele und – wenn nötig – ein Nach- und Neujustieren bisheriger Strategien. Umbrüche gibt es derzeit in Asien-Pazifik reichlich. Aus diesem Grund haben wir im Vorfeld der APK Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und den OAV-Vorsitzenden Hans-Georg Frey zu einem Gespräch über deutsche Stärken, neue Herausforderungen und den Charme bewährter Partnerschaften gebeten.
Herr Minister, Herr Frey, die regelbasierte Weltwirtschaft steht unter massivem Druck, Protektionismus und Wirtschaftsnationalismus nehmen zu. Wo liegen die deutschen Wirtschaftsinteressen in Asien-Pazifik und wie lassen sie sich – unter Einbezug der EU-Ebene – am besten verteidigen?
BM: Derzeit gibt es in einigen Ländern die Tendenz, den eigenen Markt abzuschotten. Die Bundesregierung sieht diese Bestrebungen mit großer Besorgnis. Wir setzen uns für offene Märkte ein und unterstützen alle Bestrebungen zur Stärkung des multilateralen und regelbasierten Handelssystems. Solange die multilateralen Verhandlungen im Rahmen der WTO jedoch stocken, setzen wir verstärkt auf bilaterale Freihandelsabkommen der EU. Die Asien-Pazifik-Region ist dabei ein wichtiger Schwerpunkt. Die EU verhandelt derzeit mit elf Ländern in der Region ambitionierte Freihandelsabkommen bzw. hat entsprechende Verhandlungen bereits abgeschlossen, wie im Juli mit Japan. Dies zeigt die große Bedeutung dieser Region für die europäische und deutsche Wirtschaft und ist unser klares Bekenntnis zu freiem und fairen Handel.
Frey: Die Märkte in Asien-Pazifik sind für viele deutsche Firmen zu einem unerlässlichen Pfeiler geworden, der stabile Erträge und Arbeitsplätze in Deutschland sichert. Deshalb und weil die Region auch künftig die größte Dynamik aufweisen wird, ist der möglichst offene Marktzugang im zentralen deutschen Interesse. Die Forderung an die Politik ist, die begonnenen FTA-Verhandlungen jetzt zeitnah zum Erfolg zu führen. Unsere Unternehmen tun das Ihre z.B. durch Fertigung und Produktion vor Ort, dafür brauchen Sie einen effektiven Investitionsschutz.
China war 2017 erneut Deutschlands größter Handelspartner. Deutsche Unternehmen sehen einerseits weiter Wachstumschancen, andererseits aber auch neue Herausforderungen. Wie bewerten Sie die Lage und welche Leitplanken setzen Bundesregierung und Unternehmen für eine zukunftsfeste China-Politik?
Frey: Es ist richtig, dass unsere Firmen stark vom chinesischen Wachstum und der Nachfrage nach deutschen Produkten und Know-how profitiert haben. Umgekehrt hat auch China von den deutschen Unternehmen bei seiner Entwicklung profitiert. Das Erreichte ist weiter auszubauen. Der Dialog der Bundesregierung mit China in puncto Schutz des geistigen Eigentums, Abbau von Rechtsunsicherheit und Gleichbehandlung deutscher Investoren ist deshalb zu begrüßen und sollte verstärkt unter diesem Aspekt fortgeführt werden.
BM: China ist ein wichtiger Handelspartner Deutschlands, viele Unternehmen sind dort sehr erfolgreich engagiert. Oftmals finden unsere Unternehmen aber noch nicht die gleichen Bedingungen vor, wie etwa chinesische Unternehmen bei uns in Deutschland, Beispiel Joint-Venture- Zwang. Die Bundesregierung setzt sich daher sowohl bilateral als auch im Rahmen der EU für einen fairen Wettbewerb und weiteren Abbau von Handels- und Investitionsbeschränkungen ein. Hier sind wir in engem Austausch mit unseren Unternehmen. Dabei nimmt der APA und seine Trägerverbände wie der OAV eine sehr wichtige koordinierende Funktion ein.
Anfang November 2018 findet in Jakarta die Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft (APK) statt. Indonesien gilt wie der gesamte ASEAN-Raum als attraktiver Wachstumsmarkt.Was sind die Vorzüge der Region und welche Aktivposten können wir als deutsche Politik und Wirtschaft einbringen, um auch künftig an der dortigen Dynamik teilzuhaben?
BM: Deutschland pflegt mit allen ASEAN-Ländern eine vertrauensvolle und enge Partnerschaft. Wir stehen im regelmäßigen Austausch mit den Regierungen der einzelnen Länder, um neue Projekte voranzubringen. Unsere Auslandshandelskammern sind kompetente Ansprechpartner für unsere Unternehmen und stehen ihnen beim Eintritt in die neuen Märkte beiseite. Indonesien ist zum richtigen Zeitpunkt als Ausrichtungsort für die APK ausgewählt worden. Dort sind deutsche Unternehmen in vielfältigen Projekten aktiv, sei es in der Infrastruktur, bei Industrie 4.0, im Energie-, Umwelt- oder Gesundheitsbereich. Unsere Länder verbindet auch das Thema Fachkräfteausbildung. Hier können wir unsere Erfahrungen mit dem Erfolgssystem der dualen Berufsausbildung mit Indonesien teilen. Mit dem Skills-Expertenprogramm unterstützen wir daneben aktiv den Aufbau eines Fachkräftemarktes. Davon profitieren auch unsere Unternehmen. Denn qualifizierte Fachkräfte machen die Standorte für deutsche Unternehmen attraktiv.
Frey: Die ASEAN-Region ist überaus interessant, wenn es darum geht, unsere Wirtschaftsaktivitäten in Asien-Pazifik weiter zu diversifizieren, um unabhängiger von einzelnen Märkten und Entwicklungen zu werden. Speziell Indonesien weist hierbei große Potenziale auf, wobei der bilaterale Austausch noch klar steigerbar ist. Deshalb haben wir uns im APA bewusst für Jakarta als APK-Standort ausgesprochen und hoffen, dadurch spürbare Impulse zu setzen. Die indonesischen Zukunftsbranchen hat der Minister Altmaier genannt. Für die ASEAN-Region insgesamt sprechen die unterschiedlichen Entwicklungsniveaus der einzelnen Märkte, die von Singapur an der Spitze bis zu Vietnam oder Myanmar reichen. Diese hohe Bandbreite bedeutet, dass für alle Wirtschaftsaktivitäten – Sourcing, Fertigung, Absatz, Entwicklung – noch viele ungenutzte Möglichkeiten existieren. Hinzu kommen junge, motivierte Bevölkerungen, die ihr Land voranbringen und Wohlstand erwirtschaften wollen. Hierbei können wir, auch im eigenen Interesse, mit Angeboten zu Technologie- und Know-how-Transfer unterstützen und dauerhaft ein attraktiver Partner sein.
Durch den Brexit, den US-Handelsstreit und neue Hürden in China werden bewährte Partnerschaften auf die Probe gestellt. Beziehungen zu wichtigen Handels- bzw. Wertepartnern wie Japan, Südkorea oder Australien gewinnen dadurch an Bedeutung. Inwiefern trägt unsere Politik diesen Veränderungen Rechnung, und was kann auch die Wirtschaft hierzu beitragen?
Frey: Die Bedeutung Chinas und der USA für die deutsche Wirtschaft ist enorm und einige der aufgezählten Entwicklungen sind in der Tat beunruhigend. Generell bin ich aber positiv gestimmt, dass die aktuellen Konflikte langfristig beigelegt werden können. Gleichzeitig ist es so, dass die Wirtschaft in diesen Zeiten ein zusätzliches Maß an Stabilität und Sicherheit braucht und wir daher unsere Verbindungen zu langjährigen und verlässlichen Partnern gezielt intensivieren sollten. Dabei kommt uns zupass, dass selbst mit Industrienationen wie Japan und Australien noch Raum für eine engere wirtschaftliche Kooperation besteht. Diese Staaten wissen loyale Partnerschaften zu schätzen. Ich bin zuversichtlich, dass die gegenseitigen Investitionen mit den genannten Ländern künftig ansteigen und wir unsere wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Netzwerke ausweiten. Das hat auch die Regionalkonferenz in Perth vergangenes Jahr gezeigt.
BM: Ziel ist es, Handelsbeschränkungen mit unseren internationalen Partnern weiter abzubauen und nicht, sie zu erhöhen. Das gilt besonders auch für die Asien-Pazifik- Region. Gerade die am weitesten entwickelten Wirtschaftspartner in der Region, wie Japan, Südkorea und Australien, aber auch Neuseeland und Singapur, haben für uns dabei eine Schlüsselrolle. Mit Freihandelsabkommen heben wir diese Partnerschaften auf ein neues Level und verbessern den beidseitigen Marktzugang, zum Wohle aller. Zugleich stellen diese Abkommen der sog. neuen Generation ein hohes Sozial- und Umweltschutzniveau sicher. So leistet die EU einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung der Globalisierung. Wir kooperieren mit den Ländern daneben eng in vielen Bereichen, etwa bei der Vernetzung von Startups, der Forschungszusammenarbeit und bei der Industrie 4.0. Die Politik kann dabei aber immer nur die Rahmenbedingungen verbessern. Die wirtschaftliche Partnerschaft selbst, wird stets von den zahlreichen Unternehmen gelebt, die sich in der Region engagieren.
Deutschland und Indien pflegen gute Beziehungen. Dennoch bleibt der wirtschaftliche Austausch bislang hinter den Möglichkeiten zurück. In welchen Branchen sehen Sie Potenziale für eine tiefere Zusammenarbeit und welche Formate der Kooperation sind im Indien-Kontext zielführend?
BM: Indien ist ein ökonomisches Schwergewicht, nicht nur in Asien, auch global. Das indische Wirtschaftswachstum hat zuletzt das von China übertroffen. Die EU ist Indiens größter Handelspartner weltweit, Deutschland liegt auf Rang 6. Nicht zuletzt verbindet Indien, die größte Demokratie der Welt, und Deutschland eine stabile Wertepartnerschaft. Seit den bilateralen Regierungskonsultationen im Mai 2017, die Indien im Übrigen ausschließlich mit Deutschland abhält, haben wir unsere Kooperation mit Indien in etlichen zukunftsweisenden Sektoren entscheidend vorangebracht: Wir haben das „German Indian Startup Exchange Programm - GINSEP“ ins Leben gerufen, das die Vernetzung der jungen, innovativen Startup-Szene beider Länder fördert und zugleich die Zusammenarbeit mit der etablierten Wirtschaft unterstützt. Indien verfügt über das drittgrößte Startup-Ökosystem der Welt, hier sehe ich enormes Potential, gerade auch für innovative deutsche Gründer und Mittelständler. Eng kooperieren wir auch mit dem deutsch-indischen Digitaldialog und im Rahmen der Smart Cities Initiative.
Frey: Auch für die OAV-Mitglieder zählt Indien zu den attraktiven Märkten der Region. Das Land bietet schon infolge der Marktgröße in fast allen Sparten Kooperationspotenzial. Die vom Bundesminister bereits erwähnte Smart-Cities-Initiative ist für Infrastruktur-Unternehmen von großem Interesse. Hierbei soll von deutscher Seite speziell der Ausbau der drei Städte Bhubaneswar, Kochi und Coimbatore unterstützt werden. Maßgebliche Impulse verspricht auch das Thema berufliche Aus- und Fortbildung – hierzu existiert eine gemeinsame Arbeitsgruppe. Viele deutsche Firmen vor Ort engagieren sich in diesem Bereich. Zudem ist Indien einer der Standorte des Projekts „VETnet“ zur Einführung des dualen Systems. Einzigartig ist die 2015 erfolgreich lancierte Initiative „Make in India Mittelstand“ (MIIM), die von der indischen Botschaft in Berlin betreut wird und ein extra für Deutschland konzipiertes Programm der nationalen „Make in India“-Kampagne ist. Deutsche KMUs werden hierbei beim Markteintritt und vor allem beim Aufbau von Produktionsstätten unterstützt.
2030 sollen ca. 60 Prozent der globalen Konsumausgaben in Asien-Pazifik anfallen. Mithin werden die lokalen Techniktrends und Konsumvorlieben auch für deutsche Unternehmen immer wichtiger. Wie lässt sich gewährleisten, dass wir langfristig den Anschluss halten und weiter im Geschäft bleiben können?
Frey: Vor der enormen Entwicklung der Länder Asiens kann sich kein deutsches Unternehmen mit internationaler Geschäftsstruktur verschließen. Um hier erfolgreich zu wirtschaften, muss man vor Ort sein. Mit z.B. Entwicklung und Fertigung, um so lokal abgestimmte Produkte für die jeweilige Region anbieten zu können. Wir müssen dabei unseren Partnern auf Augenhöhe begegnen und lokale Werte und Traditionen verstehen, um so künftig noch intensiver kooperieren zu können.
BM: Die Bevölkerung in Asien-Pazifik wird zahlreicher, urbaner, mobiler und wohlhabender. Das wirkt sich natürlich auch auf die Erwartungen der Konsumenten aus. Es ist in erster Linie Aufgabe der Unternehmen, diese Trends zu erkennen, erfolgreiche Produkte zu entwickeln und im Markt zu positionieren. Die Politik kann hier nur unterstützen. Etwa bei den Rahmenbedingungen für den Marktzugang. Oder beim zentralen Zukunftsthema Künstliche Intelligenz, die unsere Wirtschaft und unser Leben insgesamt verändern und verbessern wird. Mit der Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung wollen wir Deutschland zu einem weltweit führenden Standort für KI machen.