Deutsche Firmen gründen vermehrt F&E-Zentren in China
Modernisierung und Innovation spielen auf dem chinesischen Markt eine immer größere Rolle. In oder für China produzierende ausländische Firmen reagieren darauf.
Um zunehmend anspruchsvollere Kunden bedienen zu können, betreiben ausländische Unternehmen Forschungs und Entwicklungs-(F&E)-Zentren häufig vor Ort. Ausschlaggebend für diese Entscheidung sind die Marktgröße und Kundennachfrage. Dabei liegen neben reinen Produktanpassungen an den Markt zunehmend Neu-
entwicklungen für spezifische Kundenanfragen im Trend. „Wir sind mit unserem Forschungs-und Entwicklungszentrum nach Shanghai gekommen, weil wir dort inves-
tieren, wo unsere Kunden sind", erklärt Karl-Rudolf Kurtz, Senior Vice President, Research Representative Asia Pacific von BASF. „China ist mittlerweile der drittgrößte Markt der BASF weltweit und hat einen hohen Bedarf an innovativen Produkten – auch weil unsere Kunden immer innovativer werden."
Bereits 2014 dürfte die VR China die USA nach Kaufkraftparität als weltweit größte Volkswirtschaft abgelöst haben. Im Land trifft sich mittlerweile, wer international die Nase vorn haben will. Denn globale Marktführerschaft ist ohne den chinesischen Markt nicht mehr möglich. Knapp 10.370 F&E-Zentren ausländischer Firmen (inklusive Taiwan, Hongkong, Macau) gab es Ende 2013 bereits in China. Damit gestalten ausländische Firmen Chinas Innovationsumfeld zunehmend mit. Noch fünf Jahre zuvor waren es mit rund 5.880 F&E-Zentren lediglich etwa die Hälfte. Steuererleichterungen allein können diesen deutlichen Zuwachs kaum verursacht haben.
Ein Hauptantriebsgrund ist die wachsende Lokalisierung der für die Produktion eingesetzten Materialien, Rohstoffe und Komponenten. Zwar bindet diese „Cost Inno-
vation" gerade in der verarbeitenden Industrie häufig immer noch die meisten Ressourcen der F&E-Abteilungen oder -Zentren, doch anspruchsvolle Konsumenten und Industriekunden mit internationalen Ambitionen erfordern die Erarbeitung darüber hinausgehender spezifischer Lösungen.
Spezifische Kundenwünsche erfordern F&E-Präsenz vor Ort
Gelebte Kundennähe dürfe sich nicht in lokaler Produktion und regionalen Vertriebskonzepten erschöpfen, so Martin Schmidt Amelunxen, General Manager Techno-
logy und R&D von Klüber Lubrication China in der Freudenberg- Gruppe. „Langfristig zählt nur das komplette Leistungspaket inklusive Spezialentwicklungen für spezi-
fische Anforderungen lokaler Kunden. Und ihre Anzahl wächst kontinuierlich." Die große Entfernung zu Deutschland, die Sprachbarrieren und die Zeitverschiebung erfordern lokal vorgehaltene F&E Ressourcen, so Schmidt-Amelunxen.
Um langfristig die Binnennachfrage in China zuverlässig bedienen zu können, haben daher Klüber Lubrication und das am gleichen Standort operierende Schwester-
unternehmen Chem-Trend nach sorgfältiger Risikoabschätzung und entgegen manch interner Vorbehalte im Mai 2014 ein neues F&E-Zentrum in Shanghai eröffnet. Zum Teil in Deutschland qualifizierte chinesische Kollegen arbeiten hier in der Entwicklung und Anwendungstechnik. Bis 2020 wird ihre Zahl kontinuierlich und nach Markterfordernissen wachsen.
Beim Chemiekonzern BASF befindet sich derzeit bereits die zweite Phase seines „Innovation Campus Asia Pacific” in Shanghai im Ausbau. Insgesamt rund 145 Mio. Euro soll das F&E-Zentrum gemäß unternehmenseigenen Angaben kosten. Derzeit arbeiten dort rund 450 Mitarbeiter, weiteren 450 Forschern und Entwicklern wird der Neubau Platz bieten. Noch ist laut BASF der Großteil seiner derzeit rund 10.650 Personen starken F&E weltweit in Deutschland ansässig. Bis 2020 sollen rund 25 Prozent des F&E-Personals von BASF in Asien arbeiten, etwa die Hälfte davon in China.
Auch andere Industriebereiche wie die Automobil- und Zulieferbranche, der Maschinenbau oder Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) investieren kräftig in F&E, dies gilt für in- wie ausländische Firmen. Fast alle großen deutschen Firmen – von der Automobil und Automobilzulieferindustrie (beispielsweise VW, Daimler, Continental) über Informations- und Kommunikationstechnologie (SAP) und Automation (Siemens) bis hin zur Chemie (Bayer, BASF, Wacker) – sind inzwischen häufig mit gleich mehreren F&E-Zentren in China präsent.
Damit steigen vor Ort die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Innovationsabteilungen und -zentren über Branchen hinweg. So wird es möglich, neue Produkt-
ideen nicht nur vor Ort zu identifizieren, sondern auch branchenübergreifend in China weiter zu entwickeln. Müssen die F&E-Abteilungen in Deutschland nicht mehr in dem bisher gekannten Maße eingebunden werden, spart dies Zeit und Geld. Etwa ein Fünftel der F&E-Zentren entfiel 2013 auf ausländische Firmen; an den gesamten Unternehmen im Land haben ausländisch investierte einen Anteil von 16,3 Prozent.
Wer in China in Innovation investiert, muss die eher kleingliedrige Patentkultur des Landes kennen und die im Markt vorhandenen Patent- und Gebrauchsmuster sowie deren Anmeldungen einschätzen können. Ohne eine Strategie zum Schutz des eigenen geistigen Eigentums kann Innovation in China nicht funktionieren. Die Groß-
konzerne betreiben diese mit großer Selbstverständlichkeit, mit viel Geld und Personaleinsatz.
Innovationsmanagement in China stellt Mittelständler vor Herausforderung
Die Herausforderung für einen Mittelständler ist gewaltig. „Doch zum Schutz des Know-hows, das schlussendlich unseren Markterfolg sichert, ist proaktives Handeln unumgänglich", meint Schmidt-Amelunxen. Denn wer jetzt nicht anmeldet, könnte sich in einigen Jahren im chinesischen Markt noch schwerer tun. Die Patentlawine - egal wie hochwertig die Patente sind oder nicht – rollt.
Auch Möglichkeiten im Rahmen von „Open Innovation" sind für einen Mittelständler in China häufig nicht einfach zu nutzen. Es gilt, potenzielle Innovationspartner an Universitäten, Instituten oder Firmen zu identifizieren, was bei Chinas divers aufgestellter und nicht immer transparent arbeitender Forschungslandschaft zeit- und personalintensiv ist.
Auch birgt bei Forschungsprojekten mit Universitäten die häufig große Fluktuation des eingesetzten Personals die Gefahr von Wissensabwanderung – möglicherweise zum Konkurrenten. Eine vertraglich geregelte gemeinsame Nutzung von Patenten aus dem Projekt kann schwierig sein. Ohne gutes Forschungspersonal sind die viel-
fältigen Aufgaben eines Unternehmens im F&E-Bereich vor Ort daher nicht zu stemmen. Doch dieses hat in China inzwischen seinen Preis. Nicht selten ist das gesamte Gehaltspaket so hoch oder fast so hoch wie in Europa.
„Schließlich legen wir auch die gleichen Kriterien an", sagt Kurtz von BASF. Zumindest im Chemiebereich sei die Qualifikation kein Problem. In der Regel werden neu eingestellte Forscher und Entwickler darüber hinaus im Rahmen ihrer Vorbereitung in Deutschland geschult. Dass die Einrichtung von F&E Arbeitsplätzen vor Ort die Attraktivität des Arbeitgebers erhöht, darin sind sich von Germany Trade & Invest befragte internationale Konzerne wie Mittelständler einig. Immer mehr gut ausgebil-
dete chinesische Wissenschaftler sind immer weniger bereit, dauerhaft im Ausland zu arbeiten.
„Durch die Gründung des F&E-Zentrums zeigen wir, dass wir langfristig eine feste Größe im lokalen Wirtschaftssystem sein wollen", erklärt Bettina Schön, General Manager des Regional Corporate Center Asia im Mischkonzern Freudenberg in Shanghai. „Das wird positiv wahrgenommen: von unseren Mitarbeitern, unseren Kunden und zum Beispiel auch der Regionalregierung."
Die Gründung eines F&E-Zentrums in China ist immer ein Signal in viele Richtungen – nicht nur in Richtung Forschung.