Erneuerbare Energien: Asien als Wachstumsmarkt
Bei den jüngst abgebrochenen Sondierungen zur Jamaika-Koalition erwiesen sich ausgerechnet der Klimaschutz und die mit ihm verbundenen Fragestellungen als Bremsklotz, da man Einschränkungen für die Wirtschaft und Arbeitsplatzverluste befürchtete. Dabei bieten erneuerbare Energien ein Potenzial, das anders als beispielsweise die Braunkohle von nachhaltiger Natur ist. Die Kreativität von Tüftlern und die Erfahrung von Profis sind nicht nur in Deutschland, sondern weltweit gefragt. Insbesondere viele asiatische Länder erweisen sich als Märkte mit wachsendem Interesse.
Der Wandel zieht an: Die Großen machen es vor
Im März 2011 bebte in Japan die Erde. Der mit dem anschließenden Tsunami verbundene Atomunfall ging als „Nuklearkatastrophe von Fukushima“ in die Geschichte ein. Ich erinnere mich: Auf dem Hessentag, einem der größten Events dieses Bundeslandes, warb der Konzern RWE noch im Sommer desselben Jahres dafür, das Atomkraftwerk im südhessischen Biblis zu erhalten. Und heute? Am 1. Juni 2017 startete der Rückbau desselben Kraftwerks. Dabei ist Fukushima erst – oder schon? – sechs Jahre her. Wie schnell das alles ging! Wir leben in Zeiten des rasanten Wandels. Ein Trend kommt auf, nur Wochen später scheint er wieder uninteressant. Manche Tendenzen verfestigen sich jedoch und werden zur Zukunft. So kam es auch mit der Energiewende. Vor Jahren noch ein neues Feld, in dem vor allem Pioniere investierten, haben sich große Konzerne wie RWE und e.on inzwischen längst umorientiert und setzen alles daran, hier Fuß zu fassen. So war die nächste RWE-Werbekampagne, die sich mir einprägte, die mit dem Slogan „voRWEggehen“, die den Konzern als Vorreiter im Bereich der Windkraft darstellte. 2015 schließlich wurde die RWE-Tochter innogy mit dem starken Fokus auf erneuerbaren Energien und smarter Stromnutzung gegründet.
„Wir leben in Zeiten des rasanten Wandels.“
Die Erneuerbaren werden erwachsen - und schwärmen aus
Ausschreibungen, die die garantierte Förderung für erneuerbar erzeugten Strom in Deutschland senken sollen, sind für Photovoltaik auf Freiflächen schon seit April 2015, für die Windenergie an Land seit Beginn des Jahres 2017 eingeführt. Die Förderhöhen sind seitdem bereits signifikant gesunken. Und dennoch wird weiter gebaut. Sigmar Gabriel wusste schon 2016: „Die Windenergie braucht keinen Welpenschutz mehr.“ Die für erneuerbare Energien gesteckten Ausbaukorridore, knapper werdenden Flächen und strengeren Abstandsregelungen lassen dennoch zumindest auf dem deutschen Markt keine utopischen Wachstumsträume mehr zu.
Geht der Blick jedoch ins Ausland, bieten sich andere, interessante Perspektiven: Zahlreiche Länder setzen sich im Bereich erneuerbarer Energien ehrgeizige Ausbauziele und bereiten ihre Infrastruktur diesbezüglich durch Investitionen und Ausbau vor. Was vor Ort jedoch in der Regel fehlt, sind Know-how und Projekterfahrung. Die konnten deutsche Unternehmen in den letzten 20 Jahren in großem Umfang sammeln. Ein asiatisches Land mit sehr interessantem Potenzial für deutsche Unternehmen aus dem Erneuerbaren-Bereich ist China. Die internationale Expansion chinesischer Photovoltaik-Hersteller war lange Gegenstand von Debatten, die EU verlängerte die Zölle auf Solarmodule aus China im März 2017 ein weiteres Mal um 18 Monate.
Anstatt sich jedoch abzuschotten, sollten europäische bzw. deutsche Firmen der Expansion chinesischer Unternehmen lieber etwas entgegensetzen: Denn obwohl China selbst große Hersteller beispielsweise von Windkraftanlagen aufzuweisen hat, können sich deutsches Know-how und Qualität von europäischen Standards vielversprechend platzieren. Kuang Hua Lin, Chef der Asia-Pacific Management Consulting, machte in einem Interview mit der Wirtschaftswoche insbesondere auf das Potenzial im Bereich Offshore aufmerksam: Denn sehr viel Strom werde vor allem in den chinesischen Großstädten an der Ostküste benötigt, während es für den teuren Stromtransport von Onshore-Flächen im Norden und Nordwesten Chinas noch keine Lösung gebe. Offshore-Windparks kommen hier als plausible Alternative ins Spiel, für die chinesische Produzenten jedoch noch keine technischen Mittel haben.
Asiens Interesse an erneuerbaren Energien wächst deutlich
Es war bereits die Rede davon, dass das Online-Geschehen oftmals spannende Entwicklungen und Trends der Offline-Welt wiederspiegelt. Bedarfe und Herausforderungen, die offline entstehen, werden online artikuliert, echte Probleme von Unternehmern und Menschen vor Ort schlagen sich nieder als Suchanfragen bei Google und an steigenden Zugriffen auf relevante Informationsquellen. Interessenten recherchieren nach Produkten und Dienstleistungen von Partnern, die ihnen helfen, ihre Projekte und Ideen zu realisieren. Diese können ganz unterschiedlicher Natur sein: Der eine möchte beispielsweise ein von Stromausfällen heimgesuchtes Krankenhaus zuverlässiger mit Energie versorgen, der andere hat sich zum Ziel gesetzt, sein Land unabhängiger von Strom-Importen aus dem Ausland zu machen.
„Ein asiatisches Land mit sehr interessantem Potenzial für deutsche Unternehmen aus dem Erneuerbaren- Bereich ist China.“
Dass in Asien das Interesse an erneuerbaren Energien steigt, zeigen die seit 2016 massiv gestiegenen Zugriffszahlen aus asiatischen Staaten auf wind-turbine.com, dem derzeit größten Windenergie-Marktplatz mit internationaler Ausrichtung. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, Angebot und Nachfrage weltweit zusammenzubringen, um Vertriebsprozesse für Unternehmen zu beschleunigen und neue Geschäftschancen in interessanten Märkten zu eröffnen. Analysen von wind-turbine.com zeigen ein spannendes Wachstumspotenzial im asiatischen Markt auf: Im Vergleich des dritten Jahresquartals wuchsen die Zugriffe aus Kasachstan seit 2016 um mehr als 250 Prozent, aus Indonesien um etwa 140 Prozent und aus China um über 137 Prozent. Unternehmen, die international nicht präsent sind, um diesen Bedarf zu bedienen, verpassen Aufträge, während Wettbewerber, die sich früher positioniert haben, möglicherweise schon neue Partner gewinnen und spannende Projekte realisieren.
Die weltweite Energiewende wird nicht von selbst „passieren“. Es braucht Unternehmen als Macher, die vorweg gehen, ihre Chancen in neuen, internationalen Märkten nutzen und die Interessenten in Asien dabei unterstützen, für ihre jeweilige Situation die beste Lösung zu finden. Dies kann auf ganz unterschiedliche Arten und Weisen geschehen: Sei es der Ausbau lokaler Infrastrukturen, die dezentrale Energieversorgung durch Photovoltaik und Windkraft oder die nachhaltige Nutzung landwirtschaftlicher Abfälle in Biomasse-Anlagen, deutsches Know-how und Qualität sind gefragt. Das in den letzten zwei Jahrzehnten erworbene Wissen und die Erfahrung aus zahlreichen Energie-Projekten sowie aus unterschiedlichsten Sparten von Projektierung bis Recycling stellen deutsche Unternehmen gut auf, um in asiatischen Märkten ihren Platz zu finden. Es ist eine Tatsache: Während Unternehmen hierzulande noch mit sich hadern, wird in asiatischen Ländern schon nach Geschäftspartnern und Problemlösern gesucht. Unternehmen sollten diese Chance nicht verschlafen.