M&A-Transaktionen mit chinesischen Investoren – durch W&I-Versicherung strategische Vorteile nutzen


Eine aktuelle Entwicklung bei M&A-Transaktionen ist die Einbindung einer „ Warranty & Indemnity (W&I)“-Versicherung zur Absicherung der Verkäufergarantien. Während die W&I-Versicherung lange ein Nischenprodukt war, entwickelt sie sich zunehmend zu einem Standardinstrument in M&A-Transaktionen. Bei Unternehmensverkäufen an chinesische Investoren erlangt sie besondere Attraktivität, da sie einen strategischen Mehrwert bietet, der über den reinen Versicherungsschutz hinausgeht.


Chinesische Direktinvestitionen ins Ausland haben ihren bisherigen Höhepunkt im Jahr 2016 erreicht. Nach Angaben der Rhodium Group summierten sich Chinas Direktinvestitionen in Europa in dem Jahr auf einen Wert von 37,2 Milliarden Euro. Obwohl die chinesischen Direktinvestitionen in Europa seitdem – aufgrund strengerer Kapitalverkehrskontrollen durch die chinesischen Behörden einerseits und aufgrund erweiterter Screening-Mechanismen von ausländischen Investitionen durch die westlichen Behörden andererseits – auf 17,3 Milliarden Euro (2018) zurückgegangen sind, ist davon auszugehen, dass chinesische Direktinvestitionen für Europa zukünftig eine wichtige Rolle spielen werden. Denn viele chinesische Unternehmen stehen noch am Anfang ihres Internationalisierungsprozesses und haben gerade erst begonnen, grenzüberschreitende M&A-Transaktionen als einen ergänzenden Treiber für Wachstum und Unternehmensentwicklung für sich zu nutzen. Aufgrund der hiesigen Wirtschaftsstruktur bleibt der deutschsprachige Raum ein attraktives Zielland für chinesische Direktinvestitionen, und der Verkauf eines Unternehmens(- teils) an Investoren aus China kann für deutsche Verkäufer aus strategischen und finanziellen Gründen attraktiv sein.

Jedoch gilt es für den Verkäufer, neben den Chancen auch die betriebswirtschaftlichen Risiken einer M&A-Transaktion im Blick zu haben und diese zu managen. Einen wichtigen Punkt stellen dabei die im Unternehmenskaufvertrag zu regelnden Haftungsfragen dar. In einer Unternehmenstransaktion erwartet die Käuferseite regelmäßig umfangreiche Garantieerklärungen und Freistellungen (engl. Warranties & Indemnities, kurz: W&I) vom Verkäufer über einzelne Facetten des Zielunternehmens. Dies betrifft etwa Bilanzgarantien, Erklärungen zu latenten Steuerrisiken, den Bestand und die Werthaltigkeit abgeschlossener Verträge sowie die umweltrechtliche oder produktrechtliche Haftung. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine abgegebene Garantieerklärung nach Abschluss der Transaktion als nicht richtig erweist, ist vielfach gering. Das mögliche Schadenspotenzial aus dieser Garantieverletzung bleibt jedoch hoch.

Dabei gibt es in puncto Garantien und Freistellungen widerstreitende Interessen: Der Käufer möchte möglichst umfassende Garantien über das Zielunternehmen erhalten, aber einen niedrigen Kaufpreis zahlen. Der Verkäufer hingegen möchte seine Haftung auf ein Minimum begrenzen, zugleich aber einen möglichst hohen Kaufpreis erzielen. Deshalb gehören Garantien und Freistellungen typischerweise zu den am meisten diskutierten Themen in einer M&A-Transaktion. Die Einbindung der W&I-Versicherung kann diese Verhandlungen deutlich erleichtern, denn sie bietet wertvolle Vorteile:

1. Festgefahrene Verhandlungssituationen über Garantien und Freistellungen können aufgelöst werden („bridging the gap“), da die Haftung für Garantieverletzungen nicht mehr vom Verkäufer, sondern vom Versicherer getragen wird.

2. Dem Verkäufer ermöglicht die W&IVersicherung zudem einen „clean exit“: Zur Sicherstellung der faktischen Durchsetzbarkeit eines möglichen Garantieanspruchs wird in der Regel ein Teil des Kaufpreises vom Käufer einbehalten oder auf ein Treuhandkonto („Escrow“) hinterlegt und erst später, typischerweise nach Ablauf der Verjährungsfrist, an den Verkäufer ausgezahlt. Durch die Einbindung der W&I-Versicherung kann der Verkäufer hingegen unmittelbar nach Abschluss der Transaktion den gesamten Kaufpreis realisieren.

3. Darüber hinaus verhindert der Versicherungsschutz, dass der Käufer im Garantiefall (gerichtlich) gegen den Verkäufer vorgehen muss. Die Ansprüche des Käufers richten sich allein gegen die Versicherung. Die fortlaufende Geschäftsbeziehung zwischen Käufer und Verkäufer bleibt damit unbelastet.

Wichtig ist dabei, dass die W&I-Versicherung keineswegs eine gründliche Due Diligence ersetzt, sondern diese vielmehr voraussetzt. Versicherbar sind nur jene Bereiche, die in der Due Diligence auch untersucht wurden. Denn die W&I-Versicherung sichert nur das unbekannte Risiko einer Garantieverletzung ab. Wurde hingegen ein Risiko in der Due Diligence identifiziert, so kann dies oftmals durch eine gesonderte Lösung für bekannte Risiken, die Contingent-Risk-Versicherung, abgesichert werden.

Der Versicherungsnehmer der W&I-Versicherung ist in der Regel der Käufer. Der Verkäufer kann allerdings – gerade im aktuellen M&A-Marktumfeld – den Abschluss des Versicherungsschutzes zur Verkaufsbedingung machen und schon frühzeitig das Thema der W&I-Versicherung in den Verkaufsprozess einbinden. Gerade bei chinesischen Käufern ist das Interesse an diesem Schutz häufig hoch. Denn seit 2017 hat die chinesische Regierung die Kontrolle und Prüfung von Auslandsinvestitionen chinesischer Unternehmen deutlich erhöht: Staatseigene Betriebe („SOEs“) sind angewiesen, geeignete Schutzmaßahmen zu ergreifen, um die finanziellen Risiken von Auslandsinvestitionen einzugrenzen. Für dahingehendes Fehlverhalten sollen verantwortliche Manager auch persönlich haftbar gemacht werden. Diesem besonderen Schutzinteresse entspricht die W&I-Versicherung. Mit dem Versicherer steht dem chinesischen Käufer ein solventer Anspruchsgegner gegenüber, sollte der Garantiefall eintreten. Zudem lassen sich durch die W&I-Versicherung höhere Garantiesummen vereinbaren und die Haftdauer sogar über die übliche Verjährungsfrist hinaus verlängern.

Im Ergebnis bietet die W&I-Versicherung damit vielfältige Vorteile für den deutschen Verkäufer wie auch den chinesischen Käufer. Die W&I-Versicherung sollte deshalb frühzeitig in die Strukturierung der M&A-Transaktion eingebunden werden.


Thomas Wang

Thomas Wang ist Mitglied der Geschäftsleitung der Funk Gruppe, Deutschlands größtem eigenständigen Versicherungsmakler und Risk Consultant. Er leitet die Funk China Division und verantwortet die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Inhouse-Brokern. Kontakt: t.wang@funk-gruppe.de


Stephen Kuntner

Stephan Kuntner ist Head of China Corporate Business der Funk Gruppe. Sein Spezialgebiet sind Versicherungslösungen für deutsch-chinesische M&A-Transaktionen. Er spricht chinesisch und war zuvor mehrere Jahre für eine internationale Anwaltskanzlei in Shanghai im Bereich Gesellschaftsrecht und M&A tätig. Kontakt: s.kuntner@funk-gruppe.de