Deutsche Bildungskonzepte gegen Fachkräftemangel in ASEAN
"Training - Made in Germany", das schulisches und betriebliches Lernen miteinander verknüpft, geniesst einen ausgezeichneten Ruf in Asien und ist die Antwort der ASEAN auf den Fachkräftemangel. So suchen asiatische Partner zunehmend die Zusammenarbeit mit deutschen Bildungsexporteuren, um die Praxis- und Arbeitsmarktorientierung ihrer Ausbildung zu erhöhen.
Die ASEAN Economic Community (AEC), der gemeinsame Wirtschaftsraum der ASEAN Mitgliedsstaaten Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam, ist Ende 2015 in Kraft getreten. Mehr als 620 Millionen Menschen der Staatengemeinschaft genießen nunmehr ein hohes Maß an persönlicher Freizügigkeit.
Die AEC wird auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Bildungssysteme haben. Künftig können Fachkräfte und „Young Professionals“ müheloser bestimmen, wo sie Ihre Talente einbringen möchten. Allen ASEAN-Mitgliedern ist der große Bedarf an Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für die einheimische Bevölker-
ung bewusst. Ein leistungsfähiges Ausbildungssystem stärkt die eigene internationale Wettbewerbsfähigkeit, stellt aber auch einen wichtigen Standortfaktor für Inves-
toren aus dem Ausland dar.
Gerade deutsche Unternehmen, die im Ausland technisch aufwendige Produkte herstellen, sind insbesondere für den „After-Sales-Bereich“ auf gut ausgebildetes lokales Fachpersonal angewiesen. Die ASEAN-Staaten haben erkannt, dass die berufliche Ausbildung einen zentralen Wirtschaftsfaktor darstellt und Investitionen in diesem Bereich unerlässlich sind.
Beim UNESCO-Weltbildungsforum 2015 wurde die Incheon-Erklärung „Bildung 2030: Inklusive und chancengerechte hochwertige Bildung und lebenslanges Lernen für alle“ von Bildungsministern aus aller Welt verabschiedet. Hierin verpflichten sich die Mitglieder, bis zum Jahr 2030 allen Frauen und Männern einen gleichberech-
tigten Zugang zu hochwertiger Berufs- und Hochschulbildung zu ermöglichen.
Außerdem soll die Zahl von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für junge Menschen und Erwachsene signifikant erhöht und damit die Beschäftigungsfähigkeit verbessert werden. Die ASEAN-Staaten haben bereits Reformen eingeleitet, etwa bei der gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen und der Schaffung von Kapazitäten bei der Ausbildung von Lehrpersonal.
Berufsbildung - Ein zentraler Wirtschaftsfaktor
Berufsbildung nur die zweite Option in der ASEAN-Region?
Damit die berufliche Aus- und Weiterbildung langfristig als ebenbürtiges System neben der akademischen Ausbildung etabliert werden kann, sind noch große Hindernisse zu überwinden. Auch wenn modernisierte Berufsbildungseinrichtungen „Credits“ und Zertifikate vergeben, so haftet der Berufsbildung doch ein soziales Stigma an.
Für viele Familien wird die „zweitklassige“ Berufsbildung als ein Auffangbecken für diejenigen gesehen, die es nicht an eine Universität geschafft haben. Nicht zuletzt die Bildungspolitik, die in den vergangenen Jahrzehnten vor allem die akademische Ausbildung in den Vordergrund stellte, hat zu dieser Außenwirkung beigetragen.
Ein weiteres Problem ist die geringe Beteiligung der privaten Wirtschaft. Die Berufsbildungssysteme in der ASEANRegion sind überwiegend in staatlicher Kontrolle. Typischerweise gibt es einen Top-Down-Prozess mit niedriger Beteiligung des privaten Sektors. Es fehlen systematische Beteiligungsformen für eine praxisnahe und bedarfsorientierte Aus- und Weiterbildung.
Damit einhergehend sind vorhandene berufsbildende Schulen und Institute meist zu wenig praxisorientiert. Die Schulabgänger werden nicht nach den Erfordernissen des Arbeitsmarktes ausgebildet und finden entsprechend keine Beschäftigung.
Vorbild Deutschland?
Von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird dem deutschen Berufsbildungssystem ein besonders gelungener Übergang von der Schule ins Erwerbsleben attestiert, was insbesondere dem deutschen Aus- und Weiterbildungssystem zuzuschreiben ist. Zahlenmäßig spiegelt sich dies in der vergleichsweise hohen Jugendbeschäftigung wieder.
In immer mehr asiatischen Staaten möchte man durch die Verbindung von betrieblichem und schulischem Lernen die Aus- und Weiterbildung von qualifiziertem Personal mit hoher Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz sicherstellen und somit die eigene Innovationskraft sowie Wettbewerbsfähigkeit stärken.
Deutsch-Südostasiatische Bildungskooperation
Deutsche Industrieunternehmen mit Aktivitäten in den ASEAN-Staaten engagieren sich zunehmend, um den eigenen Fachkräftemangel zu decken. Aber auch deutsche Bildungsanbieter kooperieren bereits erfolgreich mit einheimischen Partnern. Zum Leistungsspektrum der Anbieter zählen Angebote im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung.
Grundsätzlich verfolgen die Anbieter dabei einen dualen Ansatz. Arbeitsplatzbasiertes Lernen wird mit theoretischer Unterweisung verknüpft. Beim vornehmlich akade-
misch ausgebildeten Lehrpersonal an Berufsbildungseinrichtungen sind auch Train-the-Trainer Programme gefragt. Sie dienen nicht nur der Multiplikatoren-schulung, sie können in maßgeschneiderten Programmen auch fehlende Praxiserfahrung ausgleichen. Bedarf besteht auch nach Konzepten zur Lehrplan-Entwicklung, der Aus-
stattung von Trainingsstätten sowie praxisorientiertem Lehrund Lernmaterial.
Einige Unternehmen und Konsortien können darüber hinaus Betreibermodelle anbieten. Berufsbildende Institutionen in den ASEAN-Staaten orientieren sich an deut-
schen Vorbildern wie den Fachhochschulen und dualen Ausbildungsmodellen. Gerade für die Mobilität der Absol ventinnen und Absolventen sind international aner-
kannte Abschlüsse und Zertifikate wichtig. In diesem Zusammenhang ist auch die Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung von zunehmen-
der Bedeutung.
Bei der (Konsortial-)Zusammenarbeit zwischen Industrie und Bildung besteht noch großes Entwicklungspotenzial. Nur wenige Industrieunternehmen verknüpfen bislang den Warenexport mit dem passenden Bildungskonzept für die Kunden. Große Industrieunternehmen mit eigenen Trainingsabteilungen können „Inhouse“-
Konzepte entwickeln. Für kleine und mittelständische Unternehmen gibt es die Möglichkeit, mit einem deutschen Bildungsanbieter ein kombiniertes Angebot ab-
zugeben.
iMOVE als Netzwerkplattform
Mit dem Schwerpunkt auf Berufsbildung hat die ASEAN den richtigen Kurs eingeschlagen. Deutschland ist nicht nur ein wichtiger Wirtschaftspartner, auch in der Berufsbildung sind Konzepte „Made in Germany“ gefragt. Dies zeigte zuletzt der Besuch des indonesischen Staatspräsidenten Joko Widodo im April 2016 in Berlin.
Er betonte das große Interesse an einer Zusammenarbeit mit Deutschland im Bereich der beruflichen Bildung. Eine besondere Herausforderung wird die Einbeziehung der privaten Wirtschaft bleiben.
Deutsche Unternehmen können bei der Vergabe von Aufträgen voraussichtlich Punkte sammeln, wenn sie neben ihren Produkten auch passende Berufsbildungs-angebote offerieren. Um dem internationalen Interesse an deutschen Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen mit einer Netzwerkplattform zu begegnen, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2001 die Initiative iMOVE (International Marketing of Vocational Education) ins Leben gerufen.
Ziel von iMOVE ist es, die Internationalisierung beruflicher Bildung aus Deutschland voranzutreiben und das Bewusstsein für die Vorteile einer Zusammenarbeit mit deutschen Partnern in diesem Bereich auf den Auslandsmärkten nachhaltig zu etablieren. Mit iMOVE steht sowohl deutschen Anbietern als auch ausländischen Nach-
fragern von Bildungsdienstleistungen ein gemeinsamer Ansprechpartner zur Verfügung.
Mit Marktstudien, Seminaren, Workshops, Delegationsreisen und Messebeteiligungen sowie einem umfassenden mehrsprachigen Online-Angebot einschließlich einer Anbieter-Datenbank und einer Kooperationsbörse unterstützt iMOVE deutsche Bildungsanbieter und ihre internationalen Partner.
Südostasien gehört zu den wichtigsten Zukunftsmärkten von „Training – Made in Germany“. iMOVE und der OAV planen für das kommende Jahr ein gemein-
sames Bildungsforum, um Bildungsexpertinnen und -experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eine Diskussionsplattform zu geben, auf der sie sich zu aktuellen Entwicklungen, Projekten und Bedarfen der Branche und der Länder austauschen können.