Cheap China is over – Personal als Schlüsselfaktor für den Markterfolg im Reich der Mitte
Die Bereitschaft, Geld für höherwertige Produkte auszugeben, wächst in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt stetig – das birgt großes Potenzial insbesondere für deutsche Unternehmen. Doch wer hier erfolgreich sein will, muss bei der Personalsuche neue Wege gehen.
Der Welthandel befindet sich in einer volatilen Phase, die neben aggressiver Rhetorik von grundlegenden Verschiebungen der Weltordnung geprägt ist. Wie sich die weltweiten Beziehungen vor dem Hintergrund von Handelskriegen, unberechenbarer US-Administration, Brexit & Co. neu sortieren, ist ungewiss. Sicher ist dagegen, dass China für die deutsche Wirtschaft der wichtigste Handelspartner und zugleich einer der attraktivsten Märkte bleibt. Auch wenn die Wachstumsraten inzwischen nicht mehr zweistellig ausfallen, legt die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt aktuell trotz des Handelskonfliktes mit den USA jährlich immer noch um mehr als 6 Prozent zu. Der chinesische Handelsüberschuss gegenüber den USA ist im vergangenen Jahr entgegen aller Annahmen sogar um 17 Prozent auf 332 Milliarden US-Dollar gestiegen. Auch die jüngste Prognose der OECD verheißt weiterhin ein robustes Wachstum. Insbesondere der steigende private Konsum befeuert die Zuwächse im Reich der Mitte. Dazu trägt die dynamisch wachsende Mittelschicht, zu der laut „Zukunftsinstitut“ aktuell weit mehr als 100 Millionen Menschen mit einem Jahreseinkommen oberhalb von 35.000 Dollar zählen, mit ihrer Konsumfreude maßgeblich bei. Damit ist Chinas Mittelschicht inzwischen die größte der Welt und der Trend zu weiterhin starkem Wachstum der „Middle Class“ wird voraussichtlich längerfristig anhalten – ein enormes Potenzial insbesondere für deutsche Unternehmen im Bereich Konsumgüter: Die Bereitschaft, Geld für höherwertige Produkte auszugeben, wächst stetig. Zudem ist Qualität „Made in Germany“ gefragt, vorausgesetzt, die Produkte treffen mit ihrer Ausrichtung den Nerv der chinesischen Konsumenten. Das beweisen die Erfolgsgeschichten deutscher Unternehmen wie zum Beispiel Gaggenau, Zwilling, Miele oder WMF. Und nicht zuletzt stärkt die chinesische Regierung aktuell den Binnenkonsum, z.B. durch Steuersenkungen und leichter verfügbare Verbraucherkredite. Die Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen auf dem Konsumgütersektor sind mithin insgesamt sehr positiv, zumal China bestrebt ist, seine Märkte weiter zu öffnen. „Mehr China wagen“ lautet die Devise. Aber zugleich steigen die Herausforderungen, nicht zuletzt im Bereich der Unternehmensführung.
Personal und Leadership sind Schlüsselfaktoren
Für einen erfolgreichen Markteintritt und einen langfristigen Geschäftserfolg in China kommt der Ressource Personal neben Produkten von ausgezeichneter Qualität und Begehrlichkeit eine besonders große Bedeutung zu. Insbesondere die passgenaue Besetzung von Managementpositionen entscheidet maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg auf dem chinesischen Markt. So muss eine Führungskraft in China nicht zuletzt in der Lage sein, die Unternehmenskultur mit interkultureller Sensitivität vor Ort aufzusetzen und zu entwickeln. Und Leadership muss, wenn sie funktionieren soll, den spezifischen Erfordernissen des Marktes im Reich der Mitte insgesamt Rechnung tragen. So ist zum Beispiel die persönliche Ansprache der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder externer Stakeholder durch die Führungspersönlichkeit in China deutlich wichtiger als in anderen Kulturen.
Lokale Manager oder Expatriate? „Guanxi“ zählt
Die Frage, ob bei der Besetzung der zentralen Managementposition auf dem chinesischen Markt auf eine lokale Führungspersönlichkeit oder einen Expatriate zurückgegri.en wird, beantwortet sich einzig auf Basis der Qualifikation im Abgleich mit dem Suchprofil. Denn beide Lösungen haben ihre grundsätzlichen Vor- und Nachteile, deren Abwägung nicht in eine dogmatische Präferenz einmünden sollte. Von zentraler Bedeutung ist vielmehr, dass die zur Auswahl stehenden Kandidaten über ein belastbares Netzwerk im Reich der Mitte verfügen, „Guanxi“ ist gefragt: Persönliche Beziehungen zu Politik und Behörden, national und regional, sind eine wichtige Qualifikation, um im Dschungel der Vorschriften zu bestehen. Lokale Expertise ist zudem erforderlich, wenn es um die Bewertung politischer und wirtschaftlicher Trends geht oder um das Antizipieren von Änderungen bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Und nicht zuletzt hilft die lokale Kompetenz bei der Identifikation von geeigneten Partnern, z.B. für den Bereich M & A oder Joint Ventures.
Qualität ist rar – und kostet
Für die Vergütung von Führungspersonal gilt: Cheap China is over, und zwar unabhängig davon, ob die Position mit einem Expatriate besetzt oder eine lokale Lösung gefunden wird. Bei der erforderlichen Managementqualität, die unter anderem von Branchenund Marktkenntnissen, Führungskompetenz und dem eigenen Netzwerk geprägt ist, handelt es sich auch im bevölkerungsreichen China um ein Gut mit sehr limitierter Verfügbarkeit. Und diesem Umstand muss die Vergütung Rechnung tragen. „Ganz oder gar nicht“ – so sollte die Devise für deutsche Unternehmen lauten, wenn sie sich mit Gehaltwünschen konfrontiert sehen, die ihre – zuweilen romantischen – Vorstellungen sprengen. Wer zum Beispiel einen Jahresumsatz von 200 Millionen Euro in China anstrebt, kann davon ausgehen, dass der „Head of China“ dafür eine Jahresvergütung von 400.000 Euro inklusive Bonus und aller Nebenleistungen erwartet. Längerfristige individuelle Perspektiven, Gestaltungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, eine klare Unternehmens- und Markenstrategie sowie die Bereitschaft zu nachhaltigem Handeln mit klarem Commitment für den Markt im Reich der Mitte stehen neben monetären Anreizen auf der Erwartungsskala von Managern in China weit oben. Die unternehmenseigene digitale Kompetenz erhöht die Anziehungskraft für Kandidaten ebenso wie die Bereitschaft, nachhaltig zu einer Verbesserung der Lebensverhältnisse in China beizutragen.
Mehr China-Kompetenz für Deutschlands Vorstandsetagen
Die Herausforderungen für Geschäfte in und mit China nehmen eher noch zu. Die sich rasant entwickelnde Start-up- Szene – einschließlich der inzwischen etwa 30 Einhörner mit einem Wert von mindestens einer Milliarde Dollar – sowie die sich rasch verändernden Vorlieben der Konsumenten in China scha. en ein dynamisches Marktumfeld, das von Übersee aus nur schwer zu managen ist. Auch die Anstrengungen der chinesischen Regierung, die großen staatseigenen Unternehmen im Hinblick auf den internationalen Wettbewerb besser aufzustellen, verschärfen die Marktbedingungen für ausländische Unternehmen. Für multinational deutsche Unternehmen, die bereits auf dem Markt im Reich der Mitte vertreten sind oder einen Markteintritt planen, wird im Interesse des Markterfolgs eine China-Expertise im Vorstand zu einem zentralen Faktor. Im Umkehrschluss stehen fehlende Insider-Kenntnisse für ein nicht unerhebliches Handicap. Aktuell bekleiden nur etwa 100 Vorstände chinesischer Abstammung Vorstandsposten bei börsennotierten Unternehmen in Nordamerika, Europa und Australien. In Deutschland nehmen Beiersdorf und BASF hier eine Vorreiterrolle ein. Der Markt für aus China stammende Führungskräfte hat sich verändert. So sind ehemalige Regierungsvertreter inzwischen für einen Zeitraum von fünf Jahren nach ihrem Ausscheiden für Vorstandsposten gesperrt. Und China-Experten der nächsten Generation wie z.B. Start-up-Gründer oder ehemalige Berater, Banker und Anwälte, die den herkömmlichen Qualifi kationsprofilen von Vorständen entsprechen, sind rar. Wer hier erfolgreich sein will, muss bei der Personalsuche neue Wege gehen. Dabei ist die Erweiterung des Vorstandes um eine Führungspersönlichkeit chinesischer Herkunft keine Frage des Zeitgeistes: Peking steckt derzeit seinen politischen und wirtschaftlichen Kurs für die nächsten 30 Jahre ab. Deutsche, international agierende Unternehmen sollten die Zusammensetzung ihres Vorstandes im Interesse ihres mittel- und langfristigen Markterfolges und ihrer Shareholder kurzfristig überdenken.