Bücherschau: Schnell, flexibel und lernfähig
Auch wenn die chinesischen Konzerne hierzulande nicht mehr so unbekannt sind wie noch vor einigen Jahren – das Wissen über sie und speziell ihre Spitzenkräfte ist weiter ungenügend. Für den versierten China-Kenner Wolfgang Hirn droht das zum Problem zu werden, da diese Unternehmen zu Top-Herausforderern auf den Weltmärkten aufsteigen. Er hat deshalb eine Typologie des chinesischen Managers erstellt. Von Daniel Müller, OAV
Chinas Aufstieg geht in die nächste Runde: Nachdem man sich zunächst externen Investoren geöffnet und gründlich von ihnen gelernt hat, haben die chinesischen Firmen begonnen, sich in Fremdmärkten zu engagieren. Da die Grenzen des bisherigen Wirtschaftsmodells in Sichtweite sind und neue Wachstumsräume benötigt werden, unterstützt sie der Staat dabei nach Kräften. Hirn, langjähriger China- Reporter des „manager magazin“, schätzt, dass sich der Drang zur Internationalisierung erst am Anfang befindet. Ein Kernaspekt ist eine strategische Auslandsinvestitionspolitik, bei der mit Käufen und Beteiligungen in ausgesuchten Branchen perspektivisch die Führerschaft angestrebt wird. Parallel werden Chinas Unternehmen im Heimmarkt in Schlüsselsparten wie der IT-Industrie oder der Elektromobilität planmäßig gefördert, um später global erfolgreich sein zu können.
Deutschland steht hierbei doppelt im Fokus. Einmal bewirken die engen Wirtschaftsbeziehungen, dass sich chinesische Firmen bevorzugt auch in der Bundesrepublik nach lukrativen Geschäftschancen umsehen. Zum anderen liegen die deutschen Stärken exakt in den Sektoren, in denen China ganz nach oben möchte. Es besteht also triftiger Anlass, sich intensiv mit den Neu-Wettbewerbern und den Personen an der Spitze zu befassen. Dies sei nötig, um sich ein Bild über die jeweiligen Stile, Methoden und Ziele zu machen. In einer imposanten Fleiß- und Recherchearbeit hat Hirn eine Fülle aufschlussreicher Details und Einblicke zusammengetragen, die genau dies leisten. Zur Kategorisierung der Top-Manager nutzt er ein Generationenschema, demzufolge Menschen stark von besonderen Erfahrungen und persönlich miterlebten Großereignissen geprägt sind.
Im Gefolge der wirtschaftlichen Öffnung werden vier Generationen identifiziert, die angesichts der rapiden Entwicklung je nur ein Jahrzehnt umfassen: die 80er, die 90er, die 2000er und die 2010er. Sie differieren primär danach, ob sie die Zeiten des Mangels und die maoistischen Exzesse noch selbst kennen und wie selbstverständlich sie die neuen Möglichkeiten nutzen. Zwar drängen alle von diesen Generationen gegründeten Privatunternehmen – mit üppigen Finanzpolstern – über die Landesgrenzen. Es kann aber gelten, je jünger, desto besser ausgebildet, internationaler und risikofreudiger sind ihre Vertreter und desto zielsicherer bewegen sie sich auch in anspruchsvollen Märkten. Was die immer noch großen Staatsunternehmen betrifft, denen wiederum eigene Managertypen vorstehen, erwartet Hirn, dass ihr Stellenwert relativ abnimmt.
Freilich unterliegen auch die Privatfirmen dem Einfluss und den Zielen der Partei. Aus diesem chinesischen Spezifikum erwächst für Hirn ein forcierter Systemwettbewerb, der vor allem im Hochtechnologiebereich stattfindet. Als Reaktion empfiehlt er genauere Prüfungen chinesischer Übernahmegesuche sowie eine aktivere Industrie- und Innovationspolitik. Letztere stößt in Deutschland traditionell auf Vorbehalte – gleichwohl wird man Antworten auf die chinesische Offensive finden müssen.